Zauberei in Zeiten des Krieges
Dem neuen Stück von Rimini Protokoll fehlt die Linie.
Düsseldorf. "Ein Zauberkünstler ist ein Schauspieler, der einen Magier darstellt": Das hat schon der Zauberer Robert-Houdin gesagt. Die Welt der Illusion versucht das Theaterkollektiv Rimini Protokoll in seiner neuen Produktion mit der von Politik und Krieg zu verbinden. Die Uraufführung von "Der Zauberlehrling" fand nun in der neuen Spielstätte des Schauspielhauses, dem Central am Hauptbahnhof, statt.
Es ist bereits die dritte Koproduktion von Rimini Protokoll mit Düsseldorf. Nach "Karl Marx: Das Kapital", in der sie die Welt des Geldes unter die Lupe nahmen, und "Breaking News", das sich um Nachrichten drehte, hat sich das Künstlerkollektiv, hier bestehend aus Helgard Haug und Daniel Wetzel, die Illusion vorgenommen. Wieder arbeiten sie nicht mit Schauspielern, sondern mit sogenannten "Experten des Alltags", Menschen, die ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Erfahrungen mitbringen, die Rimini Protokoll auf der Bühne dramatisch verdichten.
Vier Menschen aus unterschiedlichen Ländern stehen im Mittelpunkt. Günter Klepke wird "der Zauberkönig von Berlin" genannt. 2008 feierte der 79-Jährige sein 50-jähriges Bühnenjubiläum. Immer wieder zeigt er seine Kunststücke, erzählt zwischendurch aber auch seinen Werdegang, den er nach dem Krieg im zerbombten Berlin als Geräuschemacher begann.
Auf seiner Hammondorgel begleitet er die Geschichten der anderen Mitspieler. Etwa von Herdis Sigursgrimsdottir, einer jungen isländischen Journalistin, die von ihrem Land, das kein Militär besitzt, als "Ein-Seelen-Armee" nach Irak und Afghanistan geschickt wurde. Dort sollte sie Soldaten im Umgang mit der Presse unterweisen.
Der Russe Stanislav Petrov gilt als der Mann, der den 3. Weltkrieg verhinderte. Er war als Oberstleutnant 1983 diensthabender Offizier, als eine Satellitenüberwachungsanlage einen Raketenanriff der USA auf die UdSSR meldete. Er musste innerhalb von 25 Minuten entscheiden, ob er einen Gegenangriff starten soll. Er tat es nicht, was allerdings erst 1998 bekannt wurde.
Der vierte Mitspieler ist ein weiterer Zauberer: Markus Kompa, der auch als Anwalt von Uri Geller fungiert und sich für die Zusammenhänge von Zauberei und Politik interessiert. Auch Rimini Protokoll versucht, diese zwei Bereiche zusammenzubringen, zu zeigen, wie Realität und Illusion verschwimmen im Angesicht internationaler Verwicklungen. Schön augenfällig wird das, wenn Markus Kompa einen Zauberwürfel in einem Kästchen immer wieder verschwinden lässt und ihn später aus dem Hut zaubert, genau wie "die USA die Massenvernichtungswaffen im Irak".
Ansonsten jedoch verbinden sich die sehr unterschiedlichen Themenbereiche nur schlecht. Der Abend zerfasert in spannende Einzelmomente und jede Menge Tricks, die man staunend verfolgt, aber so oder so ähnlich schon häufig gesehen hat. Ein Tisch schwebt, eine Frau verschwindet - das sind Mittel der Inszenierung, die auch das Theater nutzt. Dass auch in Krisengebieten manipuliert wird, ist keine neue Erkenntnis.
Wie immer bei Rimini Protokoll fasziniert der Abend durch die "Darsteller" und die Authentizität ihrer Geschichten. Die versprochene Reibung zwischen Realität und Fiktion, zwischen Illusion und Kriegswirklichkeit bleibt jedoch aus.