Metallica: Rückkehr zu den Wurzeln
In Oberhausen überzeugte die Thrash-Metal-Band vor 12500 Fans. Gerockt wurde bis Mitternacht.
Oberhausen. Ein Mann wie ein Gorilla brüllt ins Mikro, breitbeinig und mit massigen Schultern steht James Hetfield vor seinen Fans in der ausverkauften Arena Oberhausen, hat seinen wahnsinnigen Blick aufgesetzt und singt: "Ich verstecke mich und fühle, wie es an mir vorbeizieht. Ich öffne meine Augen gerade noch rechzeitig, um auf Wiedersehen zu sagen."
Während die Bässe in der Magengrube der Thrash-Metal-Fans hämmern und die Lead-Gitarren das Trommelfell vibrieren lassen, brüllt Hetfield die Frage nach dem Sinn des Lebens in die Halle, und 12500 Leidensgenossen jeden Alters brüllen mit. Die Widersprüche machen den Reiz dieser Band aus, die 1981 den Thrash Metal (thrash = dreschen, prügeln) begründete und sich als Gegenbewegung zum Ende der Hippie-Kultur verstand. Metal-Bands riefen damals aggressiv den ausgedienten Hippies nach: "Die Welt ist nicht heil. Wir haben hier heavy Probleme, verdammt!"
Metallica haben damals mitgerufen, wurden aber seit ihrem kommerziellen Durchbruch Mitte der 80er Jahre von ihren eigenen Widersprüchen zerfressen: Wo bleibt der Protest, wenn man massentauglich geworden ist und mit der oberflächlichen Gesellschaft das dicke Geld macht? Aber auf die langhaarigen, tätowierten Hünen, vollgepumpt mit Aggression, dunklen Gedanken und Todesvisionen haben sich Metallica nie festlegen lassen. Für sie gab es immer nur einen Ehrenkodex beim Metal, den Hetfield den Fans in Oberhausen zuruft: "Wenn ihr es schwer habt, haltet euch an eure Familie, eure Freunde - und an Metallica." Metal soll "Wir"-Gefühl sein in all der Zerrissenheit des Alltags.
Das merkt man schon am Bühnenaufbau: Die Bühne steht in der Mitte der Halle, es gibt kein Vorne und kein Hinten. Die vier Musiker sind mittendrin. Als Hetfield fragt, wer das erste Mal bei einem Metallica-Konzert ist und viele Hände in die Luft gehen, ruft er den Neulingen zu: "Willkommen in der Metallica-Familie! Wo wart Ihr die ganze Zeit?"
Und tatsächlich ist es, als würden die überlauten Bässe und Gitarrenriffs den Fans das Hirn durchpusten und für ein paar Momente Klarheit schaffen. "Das hier ist Euer Leben", ruft Hetfield und zeigt auf den Boden. Es ist der Startschuss für zweieinhalb Stunden zweifelsfreien Metal-Genuss mit krachendem Sound, der die Fans mitsingen, pogen (sich gegenseitig rumschubsen) und headbangen (den Kopf vor und zurück werfen) lässt.
Denn der, der seinen Jüngern Zuversicht geben will, muss es wissen: Bei den Aufnahmen zu dem vorletzten Album St. Anger 2003 drohten Hetfield und mit ihm die Band an seiner Alkoholsucht zu zerbrechen. Elf Monate verbrachte er in einer Reha-Klinik und hatte keinen Kontakt zur Band. Nach seiner Rückkehr sammelte Metallica langsam die Scherben auf und veröffentlichte nach fünf Jahren das neue Album "Death Magnetic", mit dem die vier Familienväter jetzt auf Welttournee sind.
In Oberhausen spürt man, was die Band meint, wenn sie sagt, mit diesem neunten Studioalbum zu ihren Wurzeln zurückgekehrt zu sein. Es ist seit dem legendären und unübertroffenen Album "Black" (1991) das erste klassische Metallica-Album, ohne die Alternative- und Blues-Experimente der 90er, aber mit den melodischen und nachdenklichen Riffs der 80er Jahre. Die Fans grölen bei den neuen Nummern wie "This was your Life" und "The Day that never comes" schon genauso aus tiefster Seele mit wie bei den Metallica-Klassikern.
Den Anstoß zur musikalischen Wurzelsuche gab der neue Produzent Rick Rubin, der Metallica riet, allen Schnickschnack aus der Musik zu entfernen und sich zu fragen: Wofür steht unser Stil? Was ist bloßer Schmuck, der unsere Musik verdeckt? Kurz: Wie klingt Metallica nackt?
Das Experiment hat sich gelohnt. Die Mittvierziger rocken Oberhausen mit ihren Gitarren-Künsten und der lauten Schmerz-Lyrik, geben bis Mitternacht noch drei Zugaben und entlassen die Metal-Fans in die Nacht mit einem inbrünstigen "Metallica loves you". Würden das jemals Metal-verängstigte Eltern erleben, sie würden ihre schwarz gekleideten Jugendlichen mit Freude zu dieser Gruppentherapie schicken. Sagen wir es ihnen also lieber nicht. Sonst wollen sie noch mitkommen.