Zweifelhafte Hommage an Erich Walter

Youri Vàmos, Ballettchef der Rheinoper, ehrt seinen Vorgänger mit einem eigenen Werk.

Düsseldorf. Größe zeigt sich immer auch im Umgang mit der eigenen Geschichte. Auf welches Format das Ballett der Deutschen Oper am Rhein unter der Leitung von Youri Vàmos geschrumpft ist, belegt eine Hommage - Hommage? - des Hauses zum 25. Todestag Erich Walters.

Der große Choreograf, im November 1983 erst 55-jährig verstorben, steht für das Ballettwunder der Nachkriegszeit. Für ein Kapitel dreißigjähriger Tanzgeschichte, das in Wuppertal begann (1953-1963) und in Düsseldorf/Duisburg (1964- 1983) vollendet wurde. Damals genoss das Rheinopernballett weltweites Ansehen.

Herbert von Karajan dirigierte eine Walter-Premiere in Wien, Künstler wie Heinz Mack, Otto Piene, Günther Uecker oder Emil Schumacher gestalteten die Bühnenräume. Das Publikum verehrte den introvertierten Tanzpoeten. Aus der ganzen Republik reisten die Kritiker an, um Walters musikalische, innovative Kreationen und seine neoklassische Compagnie, geformt nach dem Vorbild des New York City Ballets, zu sehen.

Heute interessiert sich nur noch die lokale, bestenfalls die regionale Presse für das Düsseldorfer Ballett. Nun wäre Gelegenheit, Format zu beweisen und Erich Walters Andenken zu ehren, so wie es wenigstens das Theatermuseum 1993 mit einer Ausstellung tat. Stuttgart und München widmen dem großen Choreografen John Cranko regelmäßig ganze Hommage-Wochen, Leipzig pflegt das Werk von Uwe Scholz. In Düsseldorf erinnert man an Walter mit einem Vàmos-Ballett.

Wie bitte? Zum 25. Todestag Erich Walters hält Intendant Tobias Richter am 25. Oktober eine Ansprache, im Anschluss wird ein halbstündiger Dokumentarfilm gezeigt, Solist Michal Matys tanzt das "Albinoni-Adagio, das Walter für den ebenfalls verstorbenen Weltstar Paolo Bortoluzzi schuf. Als Höhepunkt wird "Giselle" von Youri Vàmos aufgeführt, ohnehin im Spielplan. Walter selbst schuf eine unvergessliche "Giselle".

Der Ballettdirektor beruft sich in einer Stellungnahme auf "unsere verspätete Rückkehr ins Opernhaus", den "bevorstehenden Leitungswechsel", eine "besonders hohe Dichte an notwendigen Neu- und Übernahmeproduktionen in relativ enger Disposition", fehlende Kapazitäten sowie das bevorstehende Pina- Bausch-Tanzfestival. Als ob ein 25. Todestag ein völlig überraschendes Ereignis wäre.

Das alles ist traurig, unwürdig, beschämend. Zumal Erich Walters Muse Monique Janotta und andere Solisten der Ära noch am Haus sind und bei Einstudierungen Hilfe leisten könnten. Niemand hat sie gefragt. Dabei kramt man an der Rheinoper doch sonst gerne in der Vergangenheit.

So bieten der scheidende Intendant und sein Ballettchef zum so bezeichneten "Finale Furioso" einen "Spartakus" von 1989, natürlich von Vamos. Wahrlich furios. Der zukünftige Ballettchef Martin Schläpfer, als sensibler und hochmusikalischer Neoklassiker Erich Walter im Geiste nah, wird es gewiss anders machen.