Oper: Heilung durch Verzicht

Richard Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“ ist in Düsseldorf ein grandioser Erfolg.

Düsseldorf. Am Anfang eine leichte Verstimmung, am Ende großer Jubel: Die Premiere der "Frau ohne Schatten" begann, wie am Samstag in allen deutschen Opernhäusern, erst mit halbstündiger Verspätung. Grund war der Warnstreik, an dem sich auch die Düsseldorfer Symphoniker beteiligten und bei dem es um einen neuen Tarifvertrag geht.

Für "Die Frau ohne Schatten" (1919) lässt Richard Strauss (1864 bis 1949) sein Kompositionskraftwerk auf Hochtouren laufen, und sein kongenialer Librettist Hugo von Hofmannsthal betrachtet die Arbeit am Textbuch als seine schwierigste und das Ergebnis als Schaffenshöhepunkt.

Herausgekommen ist ein symbolistisches Märchen, das teils in der Geister-, teils in der Menschenwelt spielt. An der Rheinoper inszenierte der Flame Guy Joosten diese musikalisch und szenisch schwer zu bewältigende Kost auf eine Weise, die Transparenz ins enorm dichte Geschehen bringt.

Dass der Erste Weltkrieg kurz vor der Uraufführung zu Ende gegangen war, der Zweite noch ausstand, verbildlichen als Kriegsopfer kenntlich gemachte Statisten (in weißen Hemden mit blutigem Einschuss in der Herzgegend) sowie die von Kugelhagel gezeichnete Ruine eines Repräsentationsbaues im Monumentalstil der 30er Jahre.

Auf einer breiten, ins Unendliche hinaufführenden Treppe steht das Bett von Kaiser und Kaiserin, als würde es jeden Moment die Stufen hinabpoltern. Auf der Treppenrückseite ist die Behausung des Färbers und seiner Frau eingerichtet, ein bescheidener Wohnraum, ausgekleidet mit gefärbten Tüchern.

Die Drehbühne erlaubt eine reibungslose Umsetzung des ständigen Wechsels zwischen Kaiser- und Färberwelt. Bühnenbildner Johannes Leiacker fand für die komplexe Bilderwelt technisch brillante Lösungen. Allein die Projektionen des Wassers des Lebens erweisen sich als visuell eindrucksvolle Entsprechung dessen, was Strauss mit Klangfarben illustriert.

Guy Joosten lässt die Handlung trotz der zeitgeschichtlichen Anspielungen in weitgehend unkonkreten Räumen spielen und erreicht damit ein hohes Abstraktionsniveau. So ist der Fokus ganz auf die Figuren und deren psychologische Entwicklung gerichtet. Allerdings greift er am Schluss in Hofmannsthals Happy End ein: Er lässt die Protagonisten nach bestandener Prüfung leblos zu Boden sinken.

Er konterkariert so die Botschaft, dass eine glückhafte Menschwerdung möglich wird durch die Überwindung von Selbstsucht. So degradiert Joosten das visionäre Gleichnis zum Nullsummenspiel - ein gerade im Fall dieses Stücks deplazierter Pessimismus, der zum Manko der Inszenierung wird.

Musikalisch bietet die Produktion Enormes: Linda Watson bewältigt die schwere Partie der Färberin stimmlich glänzend und findet zu eloquenter Darstellung. Tomasz Konieczny gibt den liebevoll-naiven Färber Barak mit der rechten Mischung aus Schlichtheit und Emotionalität. In der Rolle der in ihrer Haltung ambivalenten Amme brilliert Renée Morloc wie ein weiblicher Mephisto.

Stimmlich an ihre Grenzen stoßen zuweilen Alfons Eberz als Kaiser und Susan Anthony als Kaiserin. In hohen Lagen ist ihnen die Anstrengung etwas anzumerken. Aus dem Orchestergraben dringt ein faszinierendes, fesselndes Klanguniversum. John Fiore holt aus Strauss´ größter Opernpartitur enorme Dramatik, flirrende Illustration und kammermusikalische Intimität heraus. Die Düsseldorfer Symphoniker musizieren auf ihrem Vorzeige-Niveau. Einhelliger Jubel.