Im Theater wird gekocht, geschlafen und gespielt
Kristo Sagor lebt fünf Monate im Theater unter Tage. Wer will, kann ihn dort besuchen.
Bochum. Der junge Dramatiker und Regisseur Kristo Sagor (geb. 1976) inszeniert häufig seine Stücke selber, so am Schauspielhaus Hamburg oder am Nationatheater Mannheim. 2002 bis 2004 war er Haus-Autor am Theater Bremen. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, 2008 wurde sein "Törleß" für den Theaterpreis Faust nominiert.
Sein neues Projekt in Bochum heißt "Neue Heimat. Wohnen unter Tage." Fünf Monate lang wird er im Theater unter Tage des Bochumer Schauspielhauses wohnen, inszenieren, Gäste empfangen. Es sollen Lesungen und Vorträge genauso wie Premieren stattfinden. Und wer Lust hat, kann einfach auf einen Kaffee oder zum Kochen vorbeischauen.
Sie wohnen bis Februar im Theater unter Tage. Was wird dabei die größte Herausforderung?
Sagor: Die Quantität des Programms. Es wird atemlose Tage geben, da haben wir drei bis vier Programmpunkte. Und vorbereiten muss man das Ganze auch.
Jeder kann Sie besuchen, mit Ihnen kochen oder Fußball gucken - haben Sie keine Angst um Ihre Privatsphäre?
Sagor: Das wird sich zeigen! Das ist ein Selbstversuch, und man muss sehen, was mit dem Publikum passiert.
Die Einrichtung sieht sehr nach 70er Jahre aus und ist Bühnenbild und Privatbereich gleichermaßen. Ist das Ihr Geschmack?
Sagor: Das ist ein Mischding. Die 70er finden wir cool, bei uns zu Hause sieht es auch ein bisschen so aus. Ich nehme ja auch ein paar meiner Möbel aus Berlin mit.
Haben Sie keine Angst, dass Ihre Sachen verhunzt werden?
Sagor: Das kann passieren. Das ist das Risiko, das man eingeht.
Wo hört denn der Alltag auf und wo beginnt die Kunst?
Sagor: Das Beste ist, wenn man das gar nicht mehr genau sagen kann. Wir haben eine ganzes Spektrum künstlerischer Veranstaltungen. Die anderen Dinge, wie kochen, sind eher alltäglich, können aber zur Kunst werden, da sie ja mit Publikum passieren. Und für mich ist der Beruf, die Arbeit mit Schauspielern, sowieso alltäglich. Wenn ein Zuschauer öfter kommt, erlebt er verschiedene Aspekte und nimmt den Raum sicher unterschiedlich wahr und kann nachdenken über Räume und Zuordnungen.
Warum "Neue Heimat"?
Sagor: Das ist ein sprechender Titel: Man lädt das Publikum ein in eine Heimat. Außerdem habe ich früher selbst in einer Wohnung der Neuen Heimat gewohnt.
Was bedeutet Heimat für Sie?
Sagor: Heimat sind für mich die Menschen, denen m/an sich zugehörig fühlt. Eigene Möbel mitzunehmen, gehört für mich dazu. Im Theater unter Tage werden Regale voller Bücher stehen, das passt zu mir, ist aber auch Bühnenbild. Wir übernehmen Stücke aus der vergangenen Spielzeit. Ein Teil der Bühne bleibt also immer gleich und ein Teil wird umgebaut. Das fand ich toll, denn das ist der Alltag des Theaters.
Zwei Premieren in zwei Wochen unter Ihrer Regie. Geht das in einem Raum?
Sagor: Ein Teil des Raums wird für "Das Haus der vielen Zungen" um 180 Grad gedreht. Dann sitzt das Publikum in den Sofas, die bei "Der eigene Raum" auf der Bühne standen.
Uraufführung "Der eigene Raum", Text/ Regie: Kristo Sagor, 12.10., im Anschluss an das Theaterfest zur Spielzeiteröffnung. Uraufführung "Das Haus der vielen Zungen" von Jonathan Garfinkel, Regie: Kristo Sagor, 19.10. im Theater unter Tage. Ab 21.10. öffnet die Neue Heimat fast täglich.