Philharmonie Essen: Intendant vor die Tür gesetzt
Rausschmiss von Michael Kaufmann erregt Gemüter.
Essen. Viereinhalb Jahre hat er die Essener mit großen Dirigenten und orchestralem Wohlklang verwöhnt, jetzt scheidet er mit schriller Dissonanz. Der Intendant der Essener Philharmonie, Michael Kaufmann (47), wurde am Montagabend vom Aufsichtsrat wegen wiederholter Etatüberschreitung fristlos entlassen. Da sein Vertrag noch 2007 vorzeitig bis 2013 verlängert worden war, muss die finanziell klamme Stadt mit teuren Abfindungen rechnen.
15 Monate vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres steht die Essener Philharmonie damit ohne Intendant da, vom Imageschaden ganz zu schweigen. Der kaufmännische Geschäftsführer soll das Amt kommissarisch übernehmen. Die Sponsoren aus der Wirtschaft, die noch vor kurzem ein Kuratorium zur Unterstützung des renommierten Konzerthauses gegründet hatten, reagierten voller Wut und warfen der Lokalpolitik eine "Schmierenkomödie" vor. Der Vorgang sei "absolut unwürdig für eine Kulturhauptstadt, schädlich für Essen und abschreckend für Geldgeber", zürnte Vorstandschef Matthias Mitscherlich vom Anlagenbauer MAN Ferrostaal.
Der Kulturmanager aus Heidenheim, ein "geschickter Musikerklärer mit sanft schwäbelnder Stimme", hatte große Musiker wie Sir Simon Rattle und Kurt Masur in die 2004 aufwendig renovierte Essener Philharmonie geholt. Der Deutsche Musikverleger-Verband zeichnete das Haus für das beste Konzertprogramm 2007/2008 aus.
Er habe der Region mit seiner "Musikbesessenheit" große Abende geschenkt, betonte auch Essens Kulturdezernent Oliver Scheytt. Allerdings ohne Rücksicht auf Einzelheiten. So habe er Hotelkosten in seiner Kalkulation zu wenig berücksichtigt, rechnet Scheytt vor, auch wenn es sich um Orchester mit 100 Musikern handelte.
Rund 1,5 Millionen Euro Etatüberziehung werden ihm für die Spielzeiten 2006/2007 und 2007/2008 vorgeworfen. Dass die Finanzen vor die Wand fahren, habe sich seit Mitte 2007 abgezeichnet, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Schippmann. Mitte Januar 2008 sei der Streit mit Kaufmann hinter verschlossenen Türen eskaliert: Der Aufsichtsrat habe ultimativ Einsparungen gefordert, Kaufmann habe seine Kritiker als "Zwerge" ohne Kulturverständnis beschimpft. Zwangsbeurlaubt wurde seine Pressesprecherin, die sich für Kaufmann eingesetzt hatte.