Deutschlands koloniale Verantwortung

Die Bundesrepublik tut sich schwer mit der Aufarbeitung des Kolonialismus und der Rückgabe von Kunstwerken.

Ein historisches hölzernes Objekt aus dem Ethnologischen Museum Berlin wird während einer Veranstaltung vom Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger (l), und John Johnson von der Chugach Alaska Corporation präsentiert. Die früheren unrechtmäßig entnommenen Grabbeigaben stammen aus Chenega Island an der Südküste Alaskas und werden nach einem Beschluss des Stiftungsrates der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an die Chugach Alaska Corporation zurückgegeben.

Foto: Ralf Hirschberger

Berlin. Ein Königsthron aus Kamerun, Bronze-Figuren aus Benin oder Totenmasken aus Neuguinea — die deutschen Museen sind voll von Schätzen, die aus der Kolonialzeit stammen. Wie viel Blut klebt an diesen Objekten? Wie geht man heute mit ihnen um? Erst in jüngster Zeit beginnt Deutschland, sich mit solchen Fragen öffentlich auseinanderzusetzen. Einen Anstoß gab die Debatte um das Humboldt Forum in Berlin, das vom kommenden Jahr an eine der weltweit wichtigsten ethnologischen Sammlungen zeigen soll.

Für zusätzlichen Druck sorgte der französische Präsident Emmanuel Macron mit der Ankündigung, innerhalb von fünf Jahren die Kunstschätze aus den früheren Kolonien in Afrika an die Herkunftsländer zurückzugeben.

„In Deutschland hat die Aufarbeitung des Holocaust nach 1945 zunächst sehr viel kritische Energie in Anspruch genommen. Dahinter konnte sich so etwas wie ein kolonialer Gedächtnisverlust breitmachen“, sagt der Hamburger Kolonialismus-Experte Prof. Jürgen Zimmerer. „Jetzt wäre es an der Zeit, dass Deutschland eine Vorreiterrolle übernimmt und mit gutem Beispiel vorangeht.“

Notwendig ist seiner Meinung nach eine Untersuchung der Sammlungen durch unabhängige, externe Experten. Auch eine generelle Umkehr der Beweislast sei erforderlich: „Angesichts des Unrechtscharakters und des Machtungleichgewichts im Kolonialismus ist bei kolonialen Objekten ein problematischer Erwerb so lange anzunehmen, bis das Gegenteil nachgewiesen ist.“

Einiges ist bereits auf dem Weg. So gibt es beispielhafte Projekte zur Erforschung der Herkunft von Sammlungen, bei denen auch afrikanische Experten eingebunden sind. Und erstmals ist im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung die Aufarbeitung des Kolonialismus ausdrücklich als Aufgabe festgehalten.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat — auch mit Blick auf das Humboldt Forum — sechs zusätzliche Stellen zur sogenannten Provenienzforschung bekommen. Wie schwer und verschlungen die Herkunftssuche oft ist, zeigt der kürzlich vom Deutschen Museumsbund dazu vorgelegte Leitfaden. Denn es geht nicht nur um die gut drei Jahrzehnte (1884-1918), in denen das Deutsche Reich vor allem in Afrika selbst Kolonialmacht war — es geht um die gesamte koloniale Ära, die im 15. Jahrhundert begann und bis heute wirkt.

Weit schwieriger als der Umgang mit Raubgut ist die Erinnerung an die Gräueltaten, die deutsche Kolonialherren begingen. Seit Jahren laufen Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia um eine Wiedergutmachung für den Völkermord an den Herero und Nama — nach Ansicht von Historikern der erste Genozid des 20. Jahrhunderts.

Die Truppen von Kaiser Wilhelm II. hatten 1904 im sogenannten Deutsch-Südwestafrika einen Aufstand der Herero brutal niedergeschlagen, bis zu 80 000 Menschen wurden ermordet. Eine Einigung mit Namibia ist nicht in Sicht, in New York läuft eine Schadenersatzklage gegen Deutschland.