Deutschpop für denkende Menschen
Niels Freverts neue CD heißt "Paradies der gefälschten Dinge".
Niels Frevert kennt das schon: Hymnische Besprechungen seiner Alben, bestens besuchte Clubkonzerte, jede Menge Respekt in der deutschen Songwriter-Szene — und dann, nach drei oder vier Jahren, die nächste Platte und wieder ein mühsamer Neustart als Geheimtipp? „Der Begriff Kritikerliebling hat ja einen komischen Beigeschmack — wenn er ausschließt, dass man auch ein Publikum hat“, sagt der 46-Jährige auf die Frage, was er von seinem Status halte. Ein Publikum hat Frevert seit gut 20 Jahren durchaus, zunächst mit der Band Nationalgalerie, ab 1997 dann solo. Nun soll die Fangemeinde deutlich größer werden.
Und die Voraussetzungen sind gut, denn „Paradies der gefälschten Dinge“, das am Freitag erscheint, ist ein Album, wie es im deutschen Pop nur alle Jubeljahre vorkommt: Unaufdringlich kluge, auf scharfer Alltagsbeobachtung, Humor und viel Empathie basierende Texte, die Frevert und seine Band dem Hörer mit prachtvollen Harmonien verführerisch ins Ohr träufeln. „Es geht mir tatsächlich um das Feld ,gehobener Mainstream‘, das meiner Ansicht nach in Deutschland etwas unterbelichtet ist“, bekräftigt der Sänger und Gitarrist seine schon früher geäußerte Ansage — dass er nämlich genau dieses Feld „nicht den Anderen überlassen“ wolle.
„Für mich geht es in erster Linie darum, Platten in den Laden zu stellen, die mir selbst gefallen.“ Das Ergebnis spricht Herz und Hirn an, Musik und Texte bezaubern den Hörer und fordern ihn zugleich heraus — Deutschpop für denkende Menschen, von einem souveränen Songschreiber, der auch mit dem etwas altbackenen Etikett „Liedermacher“ nach eigener Aussage gut leben kann. Denkwürdige Textpassagen liefert das Album etliche: die bewegende Schilderung eines verzweifelten Psychiatrie-Insassen („Schwör“); die sanft-ironische Beschreibung beseelter Kirchentags-Pilger („UFO“), die absurd anmutende Tragödie eines Komapatienten („Muscheln“). Teils schwerer Stoff, musikalisch jedoch stets federleicht verpackt in edlen Pop, Gitarren-Bossa, auch ein wenig weißen Soul.
„Ich sammele Zeilen, ich sammele Geschichten“, sagt Frevert über die Ursprünge seiner Songtexte. „Dinge, die ich mitbekomme, die ich erzählt bekomme — daraus forme ich dann eine neue Geschichte.“