Emil darf wieder auf die Bühne
Der Schweizer Kabarettist Steinberger genießt seine zweite Karriere und gastiert zwei Wochen in Düsseldorf.
Düsseldorf. Um den Emil kommt man bei ihm nicht herum. Nicht, dass sich mit dem Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger gleich eine solche Vertraulichkeit einstellte, dass man das Du nicht mehr vermeiden könnte.
Aber der Zuschauer hat sofort seine Bühnenfigur Emil präsent, der als Postbeamter, Kreuzworträtsellöser und Feuerwehrmann jede Situation in aller bedächtigen Begriffsstutzigkeit ins hoffnungslos Abstruse steigert. Und der 78-jährige Steinberger pflegt sein Alter Ego: „Der hat schon meinen Charakter, der kommt schon aus meiner Jugend. Die Figur war nie künstlich, sonst wäre sie nicht so gut geworden.“
Zwischendurch war die Liebe zu seiner Figur mal arg erkaltet. Seit den 70er Jahren hatte er ihn gespielt, von 1980 bis 1987 sogar ausschließlich Emil im Programm gehabt. Dann hatte er genug von dessen Scherzen.
1989 wurde seine Ehe nach 20 Jahren geschieden. 1993 suchte Steinberger den großen Neuanfang und ging nach New York: „Ich wollte den Kopf frei bekommen, Kultur auch mal selbst genießen.“ Emil verschwand aus seinem Leben, dafür tauchte Niccel auf. Mit der 32 Jahre jüngeren Frau aus Wermelskirchen stand er seit Jahren im Briefkontakt, 1995 besuchte sie ihn am Hudson River, 1999 heirateten sie und kehrten in die Schweiz zurück.
Sein zweiter Karriereanlauf habe sich quasi ohne sein Zutun entwickelt, erzählt Steinberger in vollen Ernst: „Nie hätte ich gedacht, dass ich überhaupt wieder auf die Bühne gehe.“ Er hätte ja auch keine Vorstellung, wie er so ein Comeback organisieren könnte“, sagt das professionelle Schlitzohr, das früher mal den Melitta-Mann und dessen rund 100 Spots für die Kaffee-Werbekampagne ersonnen hat.
Ein Buch über „Wahre Lügengeschichten“ hat er 1999 geschrieben und eins über sein Leben in New York. Fast selbstverständlich, dass der Verlag Lesungen in Buchhandlungen organisierte — „und dann funkt es plötzlich, weil sich dort 600 Leute drängen“.
So geriet er doch wieder auf die Bühne, spielt seitdem vor ausverkauften Häusern. Von der Lesung hat er sich aufs Erzählen verlegt — über skurrile Beobachtungen, Besonderheiten der Schweizer Dialekte, Wahres und Gelogenes. Auch sein alter Freund Emil ist allmählich wieder im Programm aufgetaucht: „Nein, der Emil soll nicht zu Hause bleiben. Wir haben ja nicht Streit.“
Sein Vortrag ist bei alle Plauderei präzise strukturiert: „Ich komme mir vor wie ein Orchesterchef — man weiß einfach genau, an welcher Stelle und mit welcher Intensität das Lachen einsetzt. Wenn das ausbleibt, dann sucht man: Was habe ich falsch gemacht, welche Nuance, welche Betonung habe ich verändert?“ Die Ausbreitung der Comedy hat er verfolgt, lustig findet er sie nicht: „Aber man darf sich nicht äußern, in dieser Sparte sind die Kollegen sehr heikel.“
Dass er ab Donnerstag zwei Wochen am Stück in Düsseldorf gastiert, freut ihn. So habe die Mundpropaganda auch mal eine Chance: „Sonst ist man immer schon weg, wenn sich rumgesprochen hat, dass ich gut war.“ Anstrengend findet er das Non-Stop-Programm keineswegs: „In Zürich habe ich schon drei Vorstellungen an einem Tag gegeben. Ich bin zum Glück recht robust.“
Und seine frühere Klage, während der Tourneen leide er unter den einsamen Autofahrten und den öden Abenden allein im Hotel, zählt auch nicht mehr: „Jetzt bin ich ja immer in Begleitung meiner Frau. Man geht nicht allein essen, man wird etwas umsorgt, es wird einem etwas abgenommen: Jetzt ist viel besser.“