Kunstwerk von Thomas Schütte Essen: Skulptur „Großer Geist“ beim Abbau Kopf abgerissen
Zwölf Jahre standen drei „Ganz große Geister“ von Thomas Schütte an der Philharmonie in Essen. Bis der Leihgeber fand, dass sie dort nicht mehr sicher genug sind. Der Abbau gerät zum Fiasko - ganz großes Kopfschütteln.
Essen (dpa) - Ruckartig löst sich der etwa 100 Kilo schwere Kopf von den Schultern der fast vier Meter hohen, wulstigen Bronze-Skulptur des Künstlers Thomas Schütte. Einen Augenblick später kracht er auf die Bodenplatten vor der Philharmonie der Ruhrgebietsstadt Essen. Der Hebegurt am schwankenden Arm des Krans schnellt flatternd zurück. Es folgt ungläubige Stille.
So hat sich Thomas Olbricht den Abbau des ihm gehörenden Skulpturentrios „Ganz große Geister“ gewiss nicht vorgestellt. Olbricht ist ein bekannter Essener Kunstsammler und Mäzen. Seit 2004 blicken die „Geister“ auf den angrenzenden Park hinab. Geschaffen hat sie zwischen 1998 und 2004 der documenta- und Biennale-Teilnehmer Thomas Schütte, einer der renommiertesten Bildhauer Deutschlands.
Olbricht hatte den Abbau aus Furcht vor Beschädigung selbst veranlasst. Ein solches Werk sei auf lange Sicht im öffentlichen Raum nicht zu schützen und zu versichern, heißt es bei der Stadt Essen. Der Wert von Schüttes Kunst war in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
Die erste tonnenschwere Figur verfrachtet die Fachfirma offenbar noch ohne Probleme in einen Lastwagen. Bei der zweiten reißt vermutlich die Schweißnaht, die Kopf und Körper der verfremdeten Menschengestalt zusammengehalten hat. Die Belastung war zu groß. Der abgerissene Kopf liegt später am Fuße der Figur - abgedeckt wie eine Leiche, geschützt vor neugierigen Blicken und Kameralinsen.
Der Sicherheitsservice der Philharmonie sperrt eilig die Treppenaufgänge der Terrasse mit Flatterband ab und bittet Schaulustige, die Plattform zu verlassen. Beim zweiten Versuch wird der Hebegurt unter den Armen der Figur befestigt. Schließlich löst sie sich - erneut mit einem ordentlichen Ruck. Vermutlich hatte Baukleber sie so fest gehalten.
Während Schüttes Galerie entsetzt auf die Nachricht vom Transportunfall reagiert, bleibt der Künstler selbst ruhig. Deutlich mehr als der Schaden am Kunstwerk beschäftigt ihn die Sicherheit der Bauarbeiter. Es sei kaum vorstellbar, was passiert wäre, wenn der Kopf einen Arbeiter getroffen hätte, sagt der 61-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Auch Olbricht, der sich gerade in New York aufhält, bedauert den Vorfall sehr. „Gott sei Dank ist der Kopf nur ab und nicht gestohlen und lässt sich wieder ohne große Probleme anbringen“, sagt er laut seiner Assistentin.
Durch den Unfall rückt das Bedauern über den Abbau der Skulpturen fast in den Hintergrund. Für Christoph Dittmann von der Philharmonie Essen gehörten die „Geister“ aber zur Philharmonie dazu. „Wir bedauern das alle sehr im Theater und in der Philharmonie“, sagt der Sprecher. Allerdings seien auch die Furcht vor Vandalismusschäden berechtigt. „Man muss sich nur mal umgucken. Ungefähr hundert Meter entfernt steht auch eine sehr hochwertige Skulptur, die regelmäßig von Graffiti in Mitleidenschaft gezogen wird.“
Auch bei der Stadt bedauere man die Entscheidung, habe aber „vollstes Verständnis“ dafür, sagte Andreas Bomheuer, Kulturdezernent der Stadt Essen. Was mit den wertvollen Skulpturen nun passiert, ist noch nicht entschieden, sagt Olbrichts Assistentin. Es gebe verschiedene Überlegungen.
Wer jetzt noch „Ganz große Geister“ von Schütte sehen will, muss weiter fahren. Drei von ihnen - aus Stahl - stehen im Griftpark in Utrecht. Und drei am Museum für zeitgenössische Kunst in Chicago - sie sind aus Aluminium.