64. Berlinale: Deutscher Film „Jack“ startet im Wettbewerb
Berlin (dpa) - Nach der glamourösen Eröffnung der Berlinale ist der erste deutsche Film ins Rennen um die Trophäen gestartet. Regisseur Edward Berger stellte am Freitag „Jack“ vor, die Geschichte zweier vernachlässigter Jungen in Berlin - und ein Blick in die raue deutsche Wirklichkeit.
Ebenfalls Chancen auf einen der Berlinale-Bären hat „La voie de l'ennemi“ (Die Stimme des Feindes) des französischen Regisseurs Rachid Bouchareb. In der Krimi-Neuverfilmung spielen Stars wie Forest Whitaker und Harvey Keitel mit.
Das Festival zeigt bis zum 16. Februar 400 Filme aus der aller Welt, 20 davon laufen im Wettbewerb. Der 43 Jahre alte Regisseur Berger ist dort ein Neuling. Sein Film handelt von dem zehnjährigen Jack (Ivo Pietzcker). Von der alleinerziehenden Mutter vernachlässigt, muss sich das überforderte Kind um seinen kleinen Bruder kümmern - bis ein Unglück geschieht.
Jack landet im Heim, wird dort von anderen Kindern drangsaliert, hat Heimweh nach seiner kaputten Familie und reißt aus. Doch die Mutter wartet zu Hause nicht auf den Sohn. Sie hat einen Mann kennengelernt und ist mit ihm auf Achse. Jack begibt sich zusammen mit seinem Bruder auf die Suche nach Mama. Es beginnt eine Odyssee durch die Großstadt, auf der Jack nie die Hoffnung aufgibt - die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Berger („Frau2 sucht Happyend“) erzählt fast sachlich von einem Kinderschicksal. „Vor vier Jahren habe ich mit meinem Sohn an einem Sonntagnachmittag Fußball gespielt. Da ging ein kleiner Junge mit Ranzen auf dem Rücken forsch und selbstbewusst vorbei und mein Sohn grüßte ihn. Er erzählte mir dann, dass der Junge Jack heißt, in die gleiche Klasse geht, in der Woche im Heim lebt und am Wochenende häufig seine Mutter besucht“, sagte Berger im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.
„Ich konnte den Jungen nicht vergessen. Sein Stolz, die Kraft, mit der er voranschritt, haben mich schwer beeindruckt. Diese Erinnerung steckt im Kern der Geschichte, die wir erzählen: eine Geschichte vom Glauben an das Leben, daran, dass die Zukunft ein gutes Versprechen ist“, so der Regisseur.
„Kinder wie Jack kann man überall treffen, in jeder Fußgängerzone, auf jeder Einkaufsmeile.“ Das Drehbuch für den Film schrieb Berger zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Nele Mueller-Stöfen. „Die Vernachlässigung von Kindern, das ist ja ein wichtiges und großes Thema, mit dem sich unsere Gesellschaft auseinandersetzen muss“, sagte Berger. Der Film solle aber keine Anklage sein.
Insgesamt sind vier deutsche Produktionen im Rennen um den Goldenen Bären, den Hauptpreis. Neben „Jack“ ist der Afghanistan-Film „Zwischen Welten“ von Feo Aladag im Berlinale-Wettbewerb dabei. Dominik Graf zeigt „Die geliebten Schwestern“ und Dietrich Brüggemann das Drama „Kreuzweg“.
Im zweiten Film vom Freitag, „La voie de l'ennemi“, spielt Oscarpreisträger Forest Whitaker („Der letzte König von Schottland“) einen Polizistenmörder, der nach 19 Jahren Gefängnis wieder in die Freiheit kommt. Er versucht, sich ein neues Leben aufzubauen. Doch die Vergangenheit holt ihn ein. Im dritten Wettbewerbsfilm, „'71“ von Yann Demange, ging es um den Konflikt in Nordirland.
Zum Auftakt des Festivals hatte Wes Andersons schräge Komödie „Grand Budapest Hotel“ für gute Laune beim Publikum gesorgt. Am Wochenende dürfte es bei der Berlinale einiges Blitzlichtgewitter geben. George Clooney stellt am Samstag seinen außer Konkurrenz laufenden Thriller „Monuments Men - Ungewöhnliche Helden“ vor, der von der Rettung bedeutender Kunstschätze vor den Nazis erzählt.