Drama/Kriminalfilm: Der fremde Sohn
Clint Eastwood erzählt in „Der fremde Sohn“ die Geschichte einer Mutter, der die Behörden ein falsches Kind unterjubeln. Angelina Jolie trägt den ausufernden Plot.
Düsseldorf. Bereits, wenn sie bei der Polizei zum ersten Mal das Verschwinden ihres Sohnes meldet, stößt Christine Collins (Angelina Jolie) gegen eine Mauer aus Ignoranz. Das Kind werde schon wieder auftauchen, sagt die gelangweilte Stimme, das täten Ausreißer immer. Eine Vermisstenanzeige könnten sie ohnehin erst nach 24 Stunden aufnehmen.
Christine unterdrückt ein Schluchzen: Aber ihr Sohn Walter sei kein Ausreißer, unternimmt sie einen letzten Anlauf, betont beherrscht, bevor das Amt das Gespräch höflich, aber bestimmt beendet.
Was folgt, ist die bewegende Geschichte einer Frau, die sich als alleinerziehende Mutter im Amerika der 1920er-Jahre im wahrsten Wortsinn vorbildlich durchbeißt, sich hingebungsvoll um ihren zehnjährigen Sohn kümmert, gleichzeitig aber auch in ihrem Job als Telefonistin erfolgreich ist. Alles läuft nach Maß, vor allem gemessen an der Zeit, in der eine Mutter ohne Mann eigentlich der gesellschaftlichen Brandmarkung ausgesetzt war.
Das aber spielt in Clint Eastwoods Film "Der fremde Sohn" keine Rolle. Zumindest keine große. Was Christine widerfährt, ist wesentlich komplexer und widerlicher als jeder geringschätzige Blick einer Nachbarin sein könnte. Die junge Frau gerät in einen Sumpf aus Intrigen und Gängeleien: Die Polizei von Los Angeles sieht sich wegen einer miserablen Aufklärungsquote, insbesondere bei Kindesentführungsfällen, dem öffentlichen Druck ausgesetzt.
Als in einem Nachbarstaat mehrere Monate später ein Junge aufgegriffen wird, der auf die Beschreibung von Walter passt, jubelt der ehrgeizige Detective Jones (Jeffrey Donovan) das Kind Christine unter. Bereits bei der ersten Begegnung, von Jones zu einer öffentlichkeitswirksamen Pressekonferenz inszeniert, ist sie sich sicher, dass der Junge nicht ihr Sohn sein kann. Überrumpelt allerdings vom einsetzenden Blitzlichtgewitter äußert sie ihre Zweifel zunächst nicht.
Erst später, als sie bei dem Kind anatomische Ungereimtheiten entdeckt, beschwert sie sich. Jones lässt sie aus Angst vor negativer PR in eine Nervenheilanstalt für Frauen einweisen und diskreditiert sie gezielt als Rabenmutter.
Die Handlung beruht auf einem wahren Fall, Eastwood macht daraus gediegenes Ausstattungskino, zugeschneidert auf seinen behutsam agierenden Star. Bei aller Detailgenauigkeit verliert er dabei allerdings den Spannungsbogen aus den Augen.
Er erzählt die wahre Geschichte eins zu eins nach, vor allem weit über das gefühlte Ende hinaus. Lange nachdem sich der Psychoterror über Christine zugespitzt hat, gefällt er sich zu sehr in der Rolle des peniblen Chronisten. Jolie erhält dadurch zwar viel Raum, ihr Können zu demonstrieren, nach 128 Minuten bleibt das Interesse daran aber auf der Strecke.
Wertung: drei von fünf Sternen