Eine Frau auf Petri Stuhl
Regisseur Sönke Wortmann verfilmt den Weltbestseller „Die Päpstin“ als routinierte, aber recht biedere Mittelalter-Schau.
Düsseldorf. Legenden sind ein dankbarer Stoff. Historische Genauigkeit verlangen sie einem Autor, der sie aufgreift, nicht ab. Er kann mit dem Stoff verfahren, wie er es für richtig hält. Umso mehr verwundert die Beharrlichkeit, mit der beim Thema "Die Päpstin" immer wieder behauptet wird, es sei geschichtlich verbürgt, dass dereinst eine Frau das Pontifikat innehatte.
Die Vorstellung ist charmant, und das zum Weltbestseller avancierte Buch von Donna Woolfolk Cross griff diesen frühemanzipatorischen Grundgedanken 1996 auf, um ihn zu einem Mittelalter-Roman zu verarbeiten.
Nahezu sämtliche Historiker allerdings halten die Biografie der Johanna von Ingelheim, einem überdurchschnittlich begabten Mädchen vom Rhein, für ein Gerücht - nett anzuhören, faktisch auch nicht vollends ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich.
Die Geschichte entfaltet dann ihr weltverbesserndes Potenzial, wenn man sie als Parabel begreift. Eine Frau, die schier Unvorstellbares auf sich nimmt, um in einer von Männern dominierten Welt Respekt und Bewunderung zu ernten. Das hat selbst heute, 1.200 Jahre später, noch Gültigkeit.
Von klassischer Emanzipation erzählt "Die Päpstin" zwar nicht, denn Johanna muss sich, um mit ihren außerordentlichen geistigen Fähigkeiten Anerkennung zu erfahren, als Mann ausgeben. Trotzdem bietet der Stoff sämtliche Motive des Aufstands vermeintlich Schwächerer gegen die Diktatur der Borniertheit und liefert damit auch diese für den Zuschauer erlösenden Momente, wenn die Peiniger erkennen müssen, gescheitert zu sein.
Wie gesagt: dankbarer Stoff - auch fürs große Kino. Den Kontrast zwischen Dreck und Elend der Landbevölkerung und dem dekadenten Prunk der katholischen Kirche konnte man in der Buchvorlage förmlich schmecken. Regisseur Sönke Wortmann allerdings, der das Projekt vor zwei Jahren von Volker Schlöndorff übernahm, beschränkt sich aufs schnörkellose Handwerk.
Auf 140 Minuten hat er mit Co-Autor Heinrich Hadding den 560-Seiten-Roman verknappt: Johannas Geburt, die brutale Willkür des Vaters (Iain Glen), die Liebe der Mutter (Jördis Triebel), Johannas Wissbegier, der Tod ihres großen Bruders und damit ihre Chance, auf der Scholar zu studieren, die Liebe ihres Vormunds Graf Gerold (David Wenham), die Zwangsheirat, die dessen eifersüchtige Frau (Claudia Michelsen) für Johanna einfädelt, der grausame Angriff der Normannen und schließlich ihre Wallfahrt nach Rom, wo sie zum Leibarzt des Papstes (John Goodman) wird. Stur und ohne Gespür für atmosphärische Übergänge wird die Geschichte Szene für Szene abgehakt.
Man merkt, wie sich Wortmann ziert, emotionale Schauwerte entstehen zu lassen, obwohl der Stoff danach schreit. Lieber werkgetreu und routiniert als bombastisch und vielleicht kitschig, mag er sich gedacht haben.
Johanna Wokalek, die Johanna von Ingelheim als Erwachsener gekonnt eine spröde, leicht verunsicherte und trotzdem zielstrebige Aura verleiht, kann gegen diese brave Mittelalterschau nicht anspielen. Und so bleibt auch der humanistische Grundgedanke des Buchs auf der Strecke.