Interview: Das System macht nicht faul
20 Jahre Filmstiftung NRW: Die Produzentin Bettina Brokemper erklärt, wie sie Geld bekommt und was sie zurückzahlen muss.
Düsseldorf/ Köln. Fast alle Filme von Bettina Brokemper (39), die 2003 in Köln die Produktionsfirma Heimatfilm gegründet hat, sind von der Filmstiftung NRW gefördert worden. Mit ihren Produktionen wie „Bal — Honig“ (2010), „Gegenüber“ (2007) und „Falscher Bekenner“ (2005) wurde sie zu den Festivals Berlin, Cannes und Sundance eingeladen.
Frau Brokemper, warum ist es notwendig, Filme zu fördern? Früher sind die Produktionsfirmen allein zurechtgekommen.
Brokemper: Grob kann man sagen, dass sich die Rechteauswertung verändert hat, etwa weil nur noch wenige Produzenten auch Verleiher sind. Vor allem aber hat sich der Markt der möglichen Erlöse geändert — früher haben die Leute nicht so viel ferngesehen.
Die Filmstiftung versteht sich als Wirtschaftsförderung, das heißt, für jeden Euro Fördergeld sollen 1,50 Euro nach Nordrhein-Westfalen zurückfließen. Aber Sie haben auch Fördergeld für Filme bekommen, die Sie in der Türkei, in Israel und Palästina gedreht haben. Wie funktioniert das?
Brokemper: Die Dreharbeiten in dem Land sind für den Aufwand gar nicht entscheidend. Wir haben Teammitglieder aus NRW, wir machen den Schnitt, die Musik und die gesamte Postproduktion hier. Meist fließen mehr als 1,50 Euro zurück.
Welche Rolle spielen Persönlichkeiten wie Dieter Kosslick, Michael Schmid-Ospach und seit September Petra Müller an der Spitze einer solchen Einrichtung?
Brokemper: Das halte ich für extrem wichtig, weil man sehr viel kommunizieren und das Gefühl für den Zeitgeist haben muss. Schließlich dauert es nach der Bewilligung oft noch drei Jahre, bis ein Film ins Kino kommt. Wer dort an der Spitze sitzt, bestimmt immer die Politik, wir dürfen uns da ja nichts wünschen. Aber bisher hatten wir immer Glück.
Müssen die Produzenten das Geld zurückzahlen?
Brokemper: Im Erfolgsfall ja. Wir hatten das bei unserem Film „Bal — Honig“. Der hat nicht nur 2010 den Goldenen Bären in Berlin gewonnen. Der hatte 120 000 Zuschauer in Deutschland und ist weltweit verkauft worden. Mit diesem Erlös konnte ich das Darlehen zurückzahlen — was ich mir für jeden meiner Filme wünsche.
Ist es nicht seltsam, dass auch absehbar erfolgreiche Filme wie „Die Superbullen“ mit Tom Gerhardt und Til Schweigers „Kokowääh“ Hunderttausende an Fördergeldern bekommen?
Brokemper: Die nehmen den anderen ja nichts weg. Die Produzenten zahlen das Geld zurück, das dann wieder anderen Filmen zur Verfügung steht.
Dominik Graf klagt, dass diese Art der Filmförderung „gediegenes und muffiges Qualitätskino“ hervorbringt. Sein Regiekollege Klaus Lembke fordert „Innovation statt Subvention“. Wo sehen Sie die Schwachstellen des Systems?
Brokemper: Ich sehe nicht, wo hier Vielfalt eingeschränkt wäre. Ich glaube auch nicht, dass das faul macht. Ich habe mit der Filmstiftung jedenfalls einige innovative Sachen drehen können. Die Förderung ist nun mal an Bedingungen geknüpft, weil es eine Standortförderung ist. Aber Bedingungen habe ich überall im Markt.
Gibt es inhaltliche Einflussnahme?
Brokemper: Ich habe noch nie erlebt, dass die Filmstiftung eine kreative Änderung fordert, damit sie die Förderung bewilligt. Wenn ein Projekt abgelehnt wird, bekommt man aber schon mitgeteilt, was nicht überzeugt hat.
Berücksichtigen Sie das dann beim nächsten Film?
Brokemper: Ich merke bei mir im Kopf jedenfalls keine Schere. Ich kann als Produzentin ein Drehbuch lesen und denken: „Boaah, ist das teuer.“ Ich kann aber auch denken: „Boaah, ist das toll, aber das kostet bestimmt zehn Millionen Euro. Mist, da wird die Finanzierung lange dauern.“
Wären Sie ohne die Filmstiftung denselben Berufsweg gegangen?
Brokemper: Ja, bestimmt. Ich habe vorher drei Jahre in Los Angeles gearbeitet und gelebt. Aber dann wollte ich zurück zu meiner Familie und in den Schatten des Doms — in meine Heimat. Auch aus diesem Grund heißt die Firma Heimatfilm. Außerdem war dieses Genre in Deutschland als einziges kommerziell richtig erfolgreich. Da hat jeder Film wieder eingespielt, was er gekostet hat. Das hätte ich auch gern mal.