Interview mit Heinrich Breloer, dem Regisseur des Films Buddenbrooks
Als TV-Regisseur ist Heinrich Breloer eine Instanz. "Buddenbrooks" ist seine erste Arbeit fürs Kino. Wir sprachen mit ihm über seine Kindheit und Thomas Mann.
Herr Breloer, wann sind Ihnen die "Buddenbrooks" erstmals begegnet?
Heinrich Breloer: Für mich gab es nicht zuerst das Buch, sondern die Verfilmung von 1959. Die hat mich neugierig gemacht, weil ich gesehen habe, dass ich in dem Film vorkam.
Breloer: Mein Vater war Getreidegroßhändler wie der alte Buddenbrook. Er wollte mich als ältesten Sohn in die Firma holen. Ich war aber nicht geeignet dafür, weil ich viel mehr im Kino als im Geschäft war. Ich wollte studieren, irgendetwas anderes machen. Das hat er auch gemerkt.
Breloer: Das Patriarchat gab es auch bei uns ebenso wie das Problem, dass man sich der Firma unterzuordnen hatte. Das hatte sich in 100 Jahren tatsächlich nicht verändert. Vielleicht war die Atmosphäre etwas freundschaftlicher, aber mein Vater bestimmte. Deswegen musste ich ins Internat, um nicht beim Wiederaufbau der Firma zu stören.
Breloer: Ich glaube, dass die autoritär geführte Familie des 19.Jahrhunderts mit einem Patriarchen, der das Sagen hatte, heute weitgehend in ein partnerschaftliches Miteinander übergegangen ist. Aber mitten unter uns leben Väter, die ähnlich wie Jean Buddenbrook ihre Töchter in die Türkei verheiraten. Die argumentieren auch mit Familienehre und Gehorsamspflicht.
Breloer: Das Leben der Firma unterzuordnen. Sich selber zu disziplinieren, zu beherrschen, seine Lebenszeit wesentlich dem Geschäft zu opfern - das wird man auch heute noch in einer Familie, die ein Unternehmen führt, von ihren Mitgliedern erwarten. Das meiste, was den Streit zwischen den Brüdern Thomas und Christian Buddenbrook ausmacht, liegt in diesem Anspruch der Firma begründet: Thomas ordnet sich unter und Christian opponiert auf seine Weise, mit seinen Liebschaften und Krankheiten.
Breloer: Thomas Mann hatte ähnliche Eigenschaften wie sein Vater. Jeden Morgen saß er an seinem Schreibtisch und tat dort seine Arbeit. Als bürgerlicher Leistungsethiker, mit derselben Askese, mit der der bürgerliche Kaufmann sich seinem Geschäft widmet, widmete er sich der Kunst und verpasste dadurch, wenn man so will, das Leben.
Breloer: Da steckt noch ’ne Menge Wahrheit drin. Das macht den Erfolg aus. Große Familienunternehmen leben von dem Vertrauen in der Familie. Hier wird der Vorsprung an Wissen und Kapital weitergegeben. Auch wenn die eigenen Kinder Dummheiten machen, liebt man sie. Das sind Gemeinschaften auf Lebenszeit. Ich habe zwei Brüder und zwei Schwestern. Es ist eine Freude, mit der Wärme und Zuneigung von Geschwistern zu leben.
Breloer: Meine Erinnerungen sind konfliktfrei. Thomas Mann hat das sehr schön beschrieben: Blattgold, nachts von den Eltern aufs Bett gestreut, Knecht Ruprecht, die Gaben, der Baum und wie man in das Weihnachtszimmer durch die geöffneten Türen wie ins Himmelreich einzieht. Solche Weihnachten habe ich auch erlebt, als Kind in der Nachkriegszeit. Ich war wie geblendet durch den Reichtum. Was da plötzlich alles auf den Tellern lag! Dass da, ich glaube, es war ’49, eine Märklin-Eisenbahn im Kreis fuhr. Wenn man solche Weihnachten nur zwei-, dreimalgehabt hat, hat man es für immer im Herzen.
Breloer: Das stimmt! Vor drei Jahren, als ich anfing mit dem Projekt, habe ich das Buch mit den Augen eines Menschen gelesen, der wirtschaftliche Zusammenhänge beobachtet. In der momentanen Finanzkrise sehen wir aber, wie in der Marktwirtschaft Menschen diese Freiheit für Betrug und Täuschung missbrauchen. Wir können daraus lernen, wenn wir uns mehr für die Abläufe interessieren. Deswegen habe ich auch die Andeutungen von Thomas Mann zum Wirtschaftswesen seiner Zeit ernster genommen, als das in den bisherigen Verfilmungen der Fall war. Ich habe die Warenbörse in Lübeck gezeigt, mich hat interessiert, wie Buddenbrook sein Geld macht.
Breloer: Nein, dass der Film zu einer Zeit startet, in der dieses Thema allbeherrschend ist, konnte ich nicht ahnen.