Kein Vergleich mit „Kir Royal“: Dietls „Zettl“
Berlin/München (dpa) - Helmut Dietl hat ein Stück deutsche Fernsehgeschichte geschrieben. Seine Serien sind Kult - allen voran „Kir Royal - Aus dem Leben eines Klatschreporters“ von 1986. Mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem großen Erfolg hat Dietl sich nun an eine Fortsetzung gewagt.
Die Erwartungen sind groß - und viele dürften enttäuscht werden. Denn mit der herausragenden Abrechnung mit der Münchner Schickeria von einst hat sein neuer Film „Zettl“ wenig gemein. Und das liegt sicher nicht daran, dass der Film nun in Berlin spielt, der neuen Hauptstadt der Reichen und Schönen.
Die hat nämlich noch viel mehr Intrigen, Affären und Skandale zu bieten als die Münchner Schickeria von einst. Was im München der 1970er und 80er Jahre die Promis und Möchtegern-Promis aus Film und Fernsehen waren, sind im Berlin des 21. Jahrhunderts die Politiker und die, die sie beraten - in ihrem Geltungsdrang auf die Spitze getrieben. So gut die Idee einer zynischen Abrechnung mit dem verlogenen Politikbetrieb, so unausgegoren scheint vielfach die Umsetzung - auch wenn die hochkarätigen Schauspieler wie Ulrich Tukur als Schweizer Verleger und Götz George als Bundeskanzler ihren Part hervorragend spielen.
Dietl erzählt die Geschichte des Promi-Chauffeurs Max Zettl (Michael „Bully“ Herbig), der mit Skandal-Geschichten aus der Politik zum gefeierten Chefredakteur aufsteigt. Zettl verkauft die Berliner Bürgermeisterin (Dagmar Manzel), die eigentlich ein Mann ist, als seine verlorengeglaubte Mutter. Mit Hilfe von „Kir Royal“-Urgestein Herbie Fried (Dieter Hildebrandt) deckt er auf, dass der Bundeskanzler tot in einer Promi-Klinik tiefgekühlt wird. Besonders pikant daran: Die Geliebte des Kanzlers (Karoline Herfurth) ist auch die von Zettl.
„Die Wirklichkeit ist viel düsterer als der Film. Ich habe ja drei Jahre in Berlin gelebt und diese Geschichte recherchiert. Wenn ich alles erzählt hätte, was ich wirklich weiß, das würde kein Mensch glauben“, sagt Dietl im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Nicht alles in seinem Film basiere aber auf der Realität, betonte er. Sein Film sei „ein Gleichnis“. „Ich finde es einfach komisch, wie sich diese Leute verhalten in ihrer Machtgier, in ihrer Sexgier.“
So richtig komisch ist das im Film leider nicht. „Zettl“ ist eine bisweilen ermüdende Aneinanderreihung von Szenen, die so gar nichts zu tun haben mit dem Tempo und der herausragenden Beobachtungsgabe, die „Kir Royal“ auszeichneten. Die Intentionen der Figuren bleiben allzu häufig im Dunkeln. Den Überblick zu behalten, fällt schwer. Dass Bully Herbig mit „Bullyparaden“-Humor dem Film zusätzlich seinen Stempel aufzudrücken versucht, trägt sein Übriges zum unstimmigen Bild bei. Dietls Idee „Vorsicht vor den netten Leuten“ vermittelt er nur bedingt.
Dabei knüpfen Dietl und sein Co-Autor Benjamin von Stuckrad-Barre („Soloalbum“) direkt und ohne Umschweife an die tollen Geschichten von Dietls Kult-Reporterfigur Baby Schimmerlos an. Der soll nämlich Chefredakteur einer neuen Zeitung werden, des „New Berliner“. Es ist die erste von vielen Anspielungen auf den ständigen Vergleich von Berlin mit New York. Kurz bevor es soweit ist, prallt der Münchner aber mit seiner Harley an eine Säule des Brandenburger Tors und stirbt. Dann tritt Zettl auf den Plan. All dies erzählt der Film als Vorspann in einer Art Comic - und leider ist damit der unterhaltsamste Part bereits vorbei, bevor der Film überhaupt so richtig angefangen hat.
Dass vom Banker über die Intendantin bis hin zum Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern (Harald Schmidt) fast jede zweite Figur schwäbelt - ein mehr oder weniger dezenter Hinweis auf die hohe Zahl der „Zuzis“, der Zugezogenen, in Berlin -, ist sicher ganz lustig. Einen Höhepunkt des Films aber findet man aber eher im Zusammenspiel zwischen Hildebrandt und Senta Berger, die die gealterten Weggefährten von Baby Schimmerlos spielen und an die guten alten Zeiten erinnern. Als Fotograf Herbie in einer der letzten Filmszenen im Rollstuhl in einen Transporter geschoben wird, sagt er: „Ich wollte gucken, ob ich's noch kann - auf meine alten Tage.“