Kunstfälscher Beltracchi auf allen Kanälen
Köln (dpa) - Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi gehört derzeit wohl zu den bekanntesten Gefängnis-Insassen in Deutschland.
Während andere Verurteilte ihre Haftstrafe aber fernab der medialen Aufmerksamkeit verbüßen, ist der im Oktober 2011 zu einer sechsjährigen Gefängnisstrafe verurteilte Meisterfälscher derzeit auf vielen Kanälen zu sehen. Beltracchi (63) und seine Frau Helene (55) sind die Lieblinge der Talkshows.
Eine dicke Autobiografie plus zusätzlichem Band mit Briefen des Fälscher-Ehepaars aus der U-Haft ist bereits seit Mitte Januar im Handel. Am 6. März startet nun ein Dokumentarfilm über Beltracchi in den deutschen Kinos. „Beltracchi - Die Kunst der Fälschung“ heißt das eineinhalbstündige Werk von Arne Birkenstock. Er hat an diesem Dienstag (25.2.) in Köln Premiere. Dafür bekommt Beltracchi wahrscheinlich Freigang.
Dazu muss man wissen, dass Wolfgang Beltracchi seine Strafe im offenen Vollzug verbüßt, also nur zum Übernachten in der Euskirchener Justizvollzugsanstalt erscheinen muss. Seine Frau Helene ist schon seit längerem wieder auf freiem Fuß. Beltracchi muss Geld verdienen, um seine Gläubiger im Insolvenzverfahren zu bedienen. Er habe „durch seine Falschsignaturen ein paar Millionen Schulden angehäuft“, sagt sein Anwalt Reinhard Birkenstock, der übrigens der Vater des Regisseurs Arne Birkenstock ist. Die zwei Luxusanwesen der Beltracchis in Freiburg und Südfrankreich wurden bereits gepfändet.
Für Medienauftritte als Werbeveranstaltungen für seine Bücher und den Film bekomme Beltracchi „in den engen Grenzen des Strafvollzuggesetzes“ auch frei, sagt Birkenstock. „Medienpräsenz“ gelte als Teil seiner Arbeit. Beltracchi selbst sagte bei seinem Auftritt in der NDR-Talkshow „3 nach 9“ mit „Zeit“-Chef Giovanni di Lorenzo: „Ich will ja unser Buch verkaufen.“ Für Talkshow-Auftritte bekommt Beltracchi auch Freigang. Bei Markus Lanz im ZDF fachsimpelte Beltracchi über das Liften von Augenlidern - das habe er selber auch schon gemacht. Das „SWR Nachtcafé“ widmete eine Sendung dem „Kampf um die Liebe“. Mit dabei: Wolfgang und Helene Beltracchi, die von ihrer schweren Zeit in der Untersuchungshaft erzählten.
Dass Regisseur Arne Birkenstock („Chandani und ihr Elefant“) ausgerechnet einen Film über den berühmten Mandanten seines Vaters dreht, sorgte für Diskussionen. Einen „Werbefilm“ werde er sicher nicht über Beltracchi drehen, hatte Arne Birkenstock betont. Dennoch kommt Althippie Beltracchi in dem Film durchaus als Sympathieträger herüber, wenn er in seinem Atelier in Bergisch Gladbach seine Fälschertechniken offenlegt. Beltracchi überschwemmte den Kunstmarkt über Jahrzehnte mit falschen „Meisterwerken“ der Moderne und kassierte Millionen. Kunstfälscher haben die Öffentlichkeit schon immer fasziniert. Der Mitleidsfaktor mit den betrogenen, zumeist reichen Opfern hält sich zumeist in Grenzen.
Auf der Facebook-Seite zum Film wird dennoch kontrovers diskutiert, ob man einem verurteilten Kriminellen eine Bühne bieten darf. Beltracchi werde „nicht einfach nur „ein Forum“ geboten, sondern er wird an vielen Stellen auch hinterfragt“, verteidigt sich Arne Birkenstock in einem Eintrag. Zwar erliegt auch der Film streckenweise dem Charisma des graulockigen Fälschers mit dem schelmischen Grinsen. Doch es wird auch die Frage nach der angeblichen Genialität des „Jahrhundertfälschers“ aufgeworfen.
Beltracchi versäumt es in keinem Interview, sich als Künstler darzustellen. Der Film zieht dies in Zweifel. Noch bis Ende 2017 muss Beltracchi, der als selbstständiger Maler arbeitet, seine Erträge aus Büchern und Film mit dem Gläubigern teilen. Aus dem Gefängnis entlassen werden könnte Beltracchi nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe. Das wäre dann Anfang 2015.