"Public Enemies": Gangster und Gentleman
Michael Mann und Johnny Depp spüren in „Public Enemies“ dem Mythos des Bankräubers John Dillinger nach.
Mythos, Legende, Popstar: John Dillinger war ein Bankräuber mit Format, der in den 30er Jahren Tausende von Anhängern besaß. Ständig brach er in Banken ein- und aus Gefängnissen aus. Das Volk feierte Dillinger als neuen Robin Hood, weil er mit anarchischer Kraft wohl etwas Ablenkung bot in wirtschaftlich harten Zeiten. Sein Leben war kurz, bereits im Alter von 30 Jahren wurde er erschossen. Michael Mann nähert sich in seinem neuen Film "Public Enemies" dem Gangster, allerdings ohne wirklich in seine Seele zu blicken.
Mit "Heat" hat Michael Mann sicher den Thriller der 90er Jahre gedreht: packend, düster, tiefgründig, visuell überwältigend und elegant. Gangster und Cop, zwei obsessive Charaktere, gespielt von Robert de Niro und Al Pacino, treffen aufeinander und versuchen, den anderen zu bezwingen.
Nun bringt Mann eine ähnliche Konstellation auf die Leinwand. Im Zentrum steht der Bankräuber John Dillinger (Johnny Depp), den FBI-Agent Melvin Purvis (Christian Bale) jagt. Doch die beiden Antagonisten entwickeln nicht annähernd die Kraft wie Cop und Gangster in "Heat", dazu bleiben beide Figuren zu eindimensional.
Das liegt nicht an den Schauspielern, sondern eher am Drehbuch, das plakativ wird, wo es differenzieren müsste. Christian Bale ist zwar ein ansehnlich verkniffener Agent, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, den "Staatsfeind Nr. 1" der 30er Jahre zu fassen. Aber Profil lässt ihn das Drehbuch nicht gewinnen, dafür erfährt man zu wenig über ihn. Die Szenen sind ganz auf den Star Johnny Depp zugeschnitten. Angenehm zurückhaltend zeichnet er den Bankräuber so charmant wie irgendwie möglich. Abgründe oder eine dunkle Seite besitzt er jedoch keine, was ihn trotz allem dandyhaften Flair etwas fad wirken lässt. Dillinger ist Melvin Purvis immer einen Schritt voraus. In einer der faszinierendsten Momente wandert der Gangster wie ein Geist völlig unbemerkt durchs Polizeipräsidium.
Michael Mann bedient den Mythos vom Gentleman-Gangster, versucht aber nicht, ihn aufzubrechen oder zu hinterfragen. Der Regisseur vermittelt Einsichten in die Entstehung eines mächtigen FBI-Apparats, der erst einen starken Feind brauchte, um an ihm zu wachsen und Einfluss zu gewinnen.
Was allerdings durchaus berührt, ist die Liebesgeschichte zu Billie, seiner loyalen Partnerin, der Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard funkelnde Präsenz verleiht. Dillinger stellt sich ihr mit der Coolness des Womanizers vor: "Ich mag Baseball, gute Klamotten, schnelle Autos, Whiskey und Dich: Was muss man mehr über mich wissen?" Billie weiß nicht recht, was sie Dillinger glauben soll. Doch als er ihr den Mantel hinhält, wie eine Einladung in sein Leben, lässt sie sich auf ihn ein. Dass das Leben auf der Flucht aufreibend und gefährlich ist, das merkt sie bald schon.
Rein optisch punktet der Film durch seine Videoästhetik. Zusammen mit der wackeligen Handkamera (hier war wieder Manns Kameraspezialist Dante Spinotti am Werk) sorgt sie für einen merkwürdig künstlichen Look, der Distanz schafft. Doch trotz der atemlos inszenierten und fotografierten Ausbrüche und Überfälle hängt der Film vor allem im Mittelteil spannungsmäßig durch. Und so sind es die ruhigen Szenen der noch jungen, aber zukunftslosen Liebe, die durch ihre poetische Kraft fesseln und bleibende Eindrücke hinterlassen.
Wertung: nnnnn