Fantasy: Harry Potter und der Halbblutprinz - Ruhe vor dem großen Sturm
In dem sechstn Potter-Film dürfen die Hogwarts-Helden noch mal Kind sein, bevor der finale Kampf losbricht. Optisch ist das ein Triumph, die Story aber gerät reichlich zäh.
Düssledorf. Eigentlich hat Harry Potter (Daniel Radcliffe) nach all den Schicksalsschlägen, die das Ende des fünften Teils für ihn bereit hielt, keinen Grund mehr, zu lächeln. Und doch tut er es, zwar verhalten und gerade im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht etwas unbeholfen.
Aber genau das macht seinen Charme aus - und nicht zuletzt auch den Reiz der wunderbar hintersinnigen Geschichte aus der Feder von Joanne K. Rowling. Im sechsten Band drosselte sie das waghalsige Tempo der beiden vorangegangenen Abenteuer, um die jugendlichen Helden noch einmal das sein lassen zu können, was sie eigentlich sind: Kinder!
Die Jagd auf den dunklen Fürsten, den endgültig wiederauferstandenen Lord Voldemort, hält in "Harry Potter und der Halbblutprinz" also inne, ein bisschen so, als wären die Figuren vom dramatischen Dauerfeuer ausgelaugt und müssten Energie tanken, bevor der finale Kampf losbricht.
Natürlich darf sich Harry als Auserwählter nicht völlig in die verwunschene Romantik seines Zauberinternats Hogwarts flüchten, sondern muss gemeinsam mit seinem Mentor Albus Dumbledore (Michael Gambon) nach Antworten suchen, die er im Erinnerungsbecken, dem Denkarium, auch finden wird.
Gleichzeitig soll er Professor Slughorn (Jim Broadbent) aushorchen, einen gutmütigen, aber willfährigen Kauz, der auf Dumbledores Wunsch hin seinen alten Job, die Zaubertrank-Klasse, wieder übernimmt. Dabei fällt Harry das zerfaserte Schulbuch eines Ex-Schülers in die Hände, der sich im Einband als Halbblutprinz bezeichnet und jeden Lehreintrag durch handschriftliche Zusatztipps ergänzt hat.
Auf der Gegenseite braut sich derweil Unheilvolles zusammen, wenn sich Todesser-Spross und Potter-Intimfeind Draco Malfoy (Tom Felton) Nacht für Nacht, isoliert vom dahinplätschernden Schultreiben, auf eine gewichtige Mission vorbereitet. Für deren Gelingen verbürgt sich der immer undurchsichtigere Professor Snape (Alan Rickman) zu Beginn des Films mit dem Tode.
Das alles aber ist nur die Rahmenhandlung. Im Zentrum des Geschehens steht vielmehr die Jugend mit all ihren Unwägbarkeiten. Echte Leidenschaft spielt hier zum ersten Mal eine Rolle, kein verzagtes Rumturteln mehr wie zuletzt zwischen Harry und Cho. Stattdessen wütet unter der pubertären Magierbrut der Hormonstau.
Ron (Rupert Grint) will eigentlich etwas von Hermine (Emma Watson). Da Techtelmechtel zwischen langjährig Vertrauten allerdings nur schleppend bis gar nicht anlaufen, entscheidet sich der zum Frauenheld erblühte Heißsporn fürs besinnungslose Rumknutschen mit Lavender Brown.
Harry wiederum muss sich als Auserwählter, und damit popstargleich verehrter Jungpromi, den hartnäckigen Avancen zahlreicher Groupies erwehren. Sein Herz schlägt allerdings mittlerweile für Rons jüngere Schwester Ginny (Bonnie Wright), was er mit Rücksicht auf den Freund zähneknirschend unterdrückt und deswegen zusehen muss, wie die Angebetete mit Dean Thomas poussiert.
Es ist ein bisschen seltsam, wie sehr der Film diese fast schon soapartigen Irrungen und Wirrungen in den Mittelpunkt rückt. War es im Buch ein amüsanter und feinsinnig erarbeiteter Geschlechterkampf, gerät das auf der Leinwand von kindlichem Slapstick durchsetzte Beziehungskarussell reichlich zäh.
Hinzu kommt, dass man sich als vom Leser zum Zuschauer gewandelter Potter-Fan mittlerweile daran gewöhnt hat, wenn im Kino die fein ziselierten Nebenhandlungen der Bücher im Dienste eines actiongeladenen Hauptplots außen vor bleiben. Warum, fragt man sich, dann nicht auch diesmal?
Denn auch der sechste Band, so herzerwärmend wie ereignislos er dahinplätschert, hätte für den Film die Möglichkeit geboten, sich intensiver mit der Vergangenheit Lord Voldemorts und den Machenschaften seiner Untergebenen auseinanderzusetzen. Offenbar fanden die Produzenten die im Buch wesentlich zahlreicheren Rückblenden aber zu sperrig für einen Film, der trotz aller düsteren Thematik immer noch kindgerecht genug bleiben muss, um das anvisierte Einspielergebnis von weltweit 800 Millionen Dollar knacken zu können.
Trotz aller entschleunigenden Geschwätzigkeit, die den Film dominiert, gelingt Regisseur David Yates größtenteils eine umwerfende Bildsprache, stimmungsvoll und mitreißend, wie ein schweres Ölgemälde, hinter dessen makelloser Präzision ein düsteres Geheimnis lauert. Diese erhabene Optik kündigt an, was unvermeidlich ist: Wieder wird Harry einen Gefährten verlieren, vielleicht den wichtigsten, den er jemals hatte. Es macht ihn stark für den letzten Akt.
Wertung: drei von fünf Sternen