Komödie: "Brüno" - Supertunte auf Abwegen
Komödie: Nach „Borat“ kommt uns Sacha Baron Cohen als dummdreister „Brüno“ und schwankt dabei zwischen pubertärem Treppenwitz und begnadeter Realsatire.
Ist es eine Frage der Pietät oder einfach nur clevere PR? Im Zweifel beides, denn genauso notwendig es war, eine Szene mit LaToya Jackson, der Schwester des verstorbenen King of Pop, aus Sacha Baron Cohens neuer Farce "Brüno" herauszuschneiden, ist es nun auch das in Anstand gekleidete i-Tüpfelchen auf der beispiellosen Werbekampagne, die der Kamikaze-Komiker bereits seit fast zwei Monaten im Dienste seines Films veranstaltet.
Als homosexueller und zu allem Überfluss österreichischer Ex-Mode-Journalist, der es in Hollywood ohne Talent und Geschmack schaffen will, ein weltweit gefeierter Star zu werden, interviewt Cohen die verdutzte Jackson, klaut während des Gesprächs ihr Handy und liest vom Display die Geheim-Nummer ihres Bruders ab.
Die Szene wird nun nicht zu sehen sein, stattdessen nur noch eine Sequenz, in der die ehemalige Popschnuppe Paula Abdul über ihre humanitäre Arbeit spricht, während sie sich, in Ermangelung geeigneter Sitzmöbel, auf einem mexikanischen Schwarzarbeiter niederlässt - wie auch schon zuvor Jackson.
Allerdings besitzt dieser Versuch, einen abgehalfterten C-Promi vorzuführen, nicht die Durchschlagkraft, die Cohen sich wahrscheinlich gewünscht hätte. Abdul bricht das Interview bereits nach der ersten Frage ab. Die Absurdität der Situation ist ihr dann doch noch schneller bewusst geworden, als das Ganze für sie zum Total-Fiasko hätte ausarten können.
Tatsächlich ist diese Zaghaftigkeit, die Cohens vermeintliche Opfer an den Tag legen, auch das Manko von "Brüno". Anders als in den Vorgängerfilmen, in denen der kasachische Investigativ-Reporter Borat und der halbkriminelle HipHop-Möchtegern Ali G. ihren Gesprächspartnern delikate Statements entlocken, weil sie ihnen das Gefühl geben, intellektuell überlegen zu sein, steht bei "Brüno" meistens nur Brüno im Mittelpunkt.
Das ist der hingebungsvoll selbstverliebten Figur, die Cohen einst für seine Sketch-Show erfand, zwar angemessen, gerät mit schrillen Outfits, zur Schau gestellten Sexualpraktiken und entblößtem Gemächt aber dermaßen grenzdebil, dass die meisten Menschen, auf die das hohlräumige Fashion-Victim trifft, den Braten relativ schnell riechen.
Um diesen teilweisen Mangel an unfreiwilliger Komik aufzuwiegen, inszeniert sich Cohen in wahnwitzigen Posen, sprengt im Ganzkörper-Klett die Mailänder Modewoche oder lässt sich seinen Hintern enthaaren, während er per Handy mit seinem Manager verhandelt. Lachen muss man darüber, klar. Ein schaler Würgereflex allerdings bleibt. Manchmal sogar so hartnäckig, dass die Provokation eher langweilt als schockt.
Trotz dieser Nummernrevue an drastischen Entgleisungen geraten einige der Szenen denkwürdig, beispielsweise wenn Brüno per Casting nach Kindern sucht, die sich für einen Werbespot an ein brennendes Kreuz hängen lassen, und die geldgeilen Eltern das völlig okay finden, "solange der Sohn den Job kriegt". Oder er das entfesselte Publikum einer Ultimate-Fighting-Veranstaltung mit einem Zungenkuss unter Männern schockt, und der primitive Mob die Stuhlreihen zerlegt, weil er lieber Knochen splittern sehen will.
In diesen Situationen, in denen die hysterische Oberschwuchtel ihren Freak-Status einbüßt, weil die Menschen um Brüno herum ihre Mainstream-Maske ablegen und abgrundtief Hässliches offenbaren, ist "Brüno" eine reinigende Relativierung gesellschaftlicher Gefälle. Allein dafür lohnt es sich, die pubertären Kaspereien dazwischen über sich ergehen zu lassen.
Wertung: drei von fünf Sternen