Interview mit Julie Delpy: Vom Mythos ewiger Jugend
Donnerstag kommt „Die Gräfin“ in die Kinos. Julie Delpy spielt eine Adlige, die sich einen Jungbrunnen mit Blut erkaufen will.
Madame Delpy, wie sind Sie nach der Komödie "2 Tage Paris" nun auf diesen historischen Stoff gekommen?
Delpy: Auf die Geschichte bin ich vor langer Zeit gestoßen und mir gefiel der Mythos, der sich um Erzsébet Bathory rankt. Mir war von Anfang an klar, dass das nicht der Stoff für einen Horrorfilm, sondern eher für eine Art griechische Tragödie ist. Hier geht es um Schönheit und ewige Jugend, Liebe und Leidenschaften, Verrat und Verlassenwerden.
Delpy: Es gibt eine Unmenge von Büchern über Erzsébet Bathory. Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben und so galt Erzsébet über Jahrhunderte als Wahnsinnige, während neuere Forschungen belegen, dass man ihr Einiges einfach nur angehängt hat, um sie zu beseitigen und an ihr Geld heranzukommen.
Delpy: Ich mag psychotische Charaktere. Ich bin mit den Filmen aus den siebziger Jahren aufgewachsen. In der französischen Novelle Vague und in den Scorsese-Filmen waren die Bösen noch die echten Helden. Dann kamen die Achtziger mit "Forrest Gump" und haben alles kaputt gemacht. "Forrest Gump" ist für mich der reinste Horror. Er ist nett, dumm und für den Krieg. Fast so schlimm wie George W. Bush.
Delpy: Obwohl es auch zu dieser Zeit schon einige mächtige Frauen wie etwa die englische Königin Elisabeth I. gab, wurden die meisten Frauen als dumm oder von Grund auf böse stigmatisiert. Wenn ein Mann - so die geläufige Vorstellung - seine Frau nicht schlug, werde sie am Ende mit dem Teufel höchstpersönlich ins Bett steigen.
Delpy: Beim Feminismus geht es nicht darum, dass die Frauen großartig, stark und perfekt sind, sondern dass Frauen und Männer gleich gestellt sind. Ich glaube nicht, dass wir in einer besseren Welt leben würden, wenn die Frauen an der Macht wären. Ich habe wunderbare und ganz schreckliche Frauen in meinem Leben kennen gelernt und das Gleiche gilt auch für Männer. Wir sind alle Individuen und jeder Mensch hat auch dunkle Seiten.
Delpy: Auch wenn ich schon lange in den USA lebe, bin ich von der französischen Kultur geprägt. Das werde ich nicht los. So ist dieser Film eigentlich mehr durch Marquis de Sade beeinflusst, als durch die ungarische Geschichte. De Sade habe ich schon zu Schulzeiten gelesen. Seine Vorstellung von Perversion - etwas Reines zu zerstören - hat mich seit je fasziniert. Und so habe ich das ungarische Gulasch eben mit einer eigenen französischen Soße versetzt.
Delpy: Ich wollte, dass die Gewalt schmerzhaft, aber nicht lustvoll ist. Ich mag keine Filme, in denen die Leute sich gegenseitig umbringen und sich das Publikum dabei köstlich amüsiert. Leute ermorden - das ist nicht nett.
Delpy: Erzsébet verliert ihre Macht, in dem Moment, in dem sie ihre Schönheit einbüßt. Diese Angstvorstellung ist sehr aktuell. Schauspieler, Geschäftsleute und Politiker versuchen ihre Macht dadurch zu bewahren, indem sie ewig jung wirken. Als Geschäftsmann darf man nicht müde aussehen. Falten sind verpönt. Ich hingegen liebe Falten. Ich habe großen Respekt vor älteren Menschen. Vanessa Redgrave etwa sieht toll aus, gerade weil sie keine Schönheits-OP gemacht hat.
Delpy: Natürlich sehe ich meinen eigenen Falten nicht mit Freuden entgegen, weil sie zeigen, dass die Zeit vergeht und ich dem Ende meines Lebens ein Stück näher gekommen bin. Klar habe ich Angst vor Krankheit und Tod. Aber nicht vor Falten.