„Von den Deutschen gelernt“
Quentin Tarantino zeigt seinen fast komplett hier gedrehten Film „Inglourious Basterds“ mit internationalen Darstellern.
Cannes. Selten wurde während einer Pressekonferenz so viel gelacht - und geküsst. Gleich zweimal bekam Regisseur Quentin Tarantino einen dicken Schmatzer auf die Backe: erst von Christoph Waltz, dann von Daniel Brühl. Beide deutschen Darsteller spielen Hauptrollen in Tarantinos neuem Film "Inglourious Basterds", den er gestern beim Filmfestival in Cannes präsentierte, und dankten so für das Lob des amerikanischen Kultregisseurs.
Christoph Waltz sei genau das "linguistische Genie", das er für die Rolle des mehrsprachigen Nazis Hans Landa gesucht habe, und überhaupt "a sweet guy". Und wenn Brühls Eltern "Danny" nicht gezeugt hätten, wäre der Film nicht möglich gewesen. Da verblasste selbst Brad Pitt gegen so viel deutsche Präsenz auf dem Podium. Und nicht nur da: Auch im Film stiehlt der herausragende Christoph Waltz ihm die Show.
Abgründig spielt Waltz diesen opportunistischen, gefährlichen Nazi, der auch eigenhändig Frauenkehlen zudrückt. Brad Pitt lobte die deutschen Schauspieler (auch noch Til Schweiger, Diane Kruger, Gedeon Burkhard, Sylvester Groth und Martin Wuttke). Leider hätten sie oft nicht die Chance, international in Erscheinung zu treten: "Wir haben bei diesem Dreh auf jeden Fall etwas von den Deutschen gelernt", sagte Pitt bescheiden.
Der Star der Pressekonferenz war jedoch Tarantino selbst, der Schnellplauderer, den man nur anzuknipsen braucht. Eigentlich ist er mittlerweile zu alt für den Film. Doch er spielt die Rolle perfekt, spricht über Vorbilder und seine Vorliebe, in Genres zu denken. Acht Jahre habe er immer wieder an dem Drehbuch gearbeitet, es sei tatsächlich eine Art jüdischer Rachefantasie an den Nazis. Eli Roth, selbst jüdischer Regisseur ("Hostel"), der in dem Film einen jüdischen Nazikiller spielt, nennt "Inglourious Basterds" einen "koscheren Porno".
Wenn diese Figuren gelebt hätten, hätten sie den Ausgang des Krieges beeinflusst, da ist sich Tarantino sicher. Denn seine Geschichte, irgendwo zwischen Pop und Propaganda, jüdischer Fantasie, Western und Märchen angesiedelt, erzählt davon, wie man sich gegen die Nazis hätte wehren können. Zum Beispiel durch eine Gruppe durchgeknallter amerikanischer Juden, die unter dem Kommando von Aldo "der Apache" Raine (Pitt) 1944 in Frankreich Jagd auf Nazis und deren Skalps machen. Gott sei Dank ist der Film nur halb so blutig, wie der Trailer vermuten lässt.
Denn "Inglourious Basterds" erzählt auch von der jungen Jüdin Shosanna (Mélanie Laurent), deren Familie von Obersturmbannführer Hans Landa (Waltz) hingerichtet wird. Sie taucht in Paris unter und betreibt ein Kino, das die Nazis ausgerechnet für eine Propagandavorführung mit Hitler und Goebbels nutzen wollen: der perfekte Ort, um die "Operation Kino" durchzuführen und alle wichtigen Nazis gleichzeitig umzubringen.
Tarantino unterteilt seine Geschichte in Kapitel, erzählt sie jedoch stringent, gewohnt bildgewaltig, nicht überzogen brutal wie in "Kill Bill", und hält sich mit seinen Ausflügen ins Popgenre auffallend zurück. Er nimmt seine Geschichte ernst. Seine Vorliebe für den Western zeigt sich besonders im ersten Kapitel, das auf "Spiel mir das Lied vom Tod" und "Der schwarze Falke" verweist, nur dass die Farm nicht im US-Westen liegt, sondern im ländlichen Frankreich, und die Bösen nicht angeritten, sondern im Motorrad mit Beiwagen kommen. Vor allem dieser Anfang ist großes Kino.
Danach verzeiht man dem zweieinhalbstündigen Werk auch die ein oder andere Länge. Ein Preis des Wettbewerbs von Cannes scheint "Inglourious Basterds" fast schon sicher.