Wim Wenders lässt die Turnschuhe im Schrank

Hollywood (dpa) - Mit Jeanshemd und leuchtblauen Turnschuhen trat Wim Wenders (66) kurz vor der Oscar-Nacht noch ganz locker auf. „Wahrscheinlich doch schwarze Schuhe, die lassen bestimmt keinen mit Sneakers auf den roten Teppich“, mutmaßte der Regisseur über die Kleidervorschrift bei den Academy Awards.

Beim traditionellen Empfang für die deutschsprachigen Oscar-Anwärter in der Villa Aurora in Pacific Palisades - 24 Stunden vor dem Gipfeltreffen der Stars - war die Stimmung bestens. Immerhin könnte Deutschland in vier Oscar-Kategorien gewinnen.

Wenders, der mit der 3D-Dokumentation „Pina“ ins Rennen ging, könnte zusammen mit seinem Produzenten Gian-Piero Ringel auf dem Rückflug acht Kilogramm mehr im Koffer haben. „Zu meinem großen Glück ist auch der Produzent mit nominiert. Wir könnten zusammen auf der Bühne stehen und dann knallhart zwei Oscars mit nach Deutschland bringen“, erzählte Ringel der Nachrichtenagentur dpa.

Seine Hommage an die Wuppertaler Tänzerin und Choreographin Pina Bausch hatte Wenders viele Jahre geplant. Kurz vor Drehbeginn im Sommer 2009 war Bausch überraschend gestorben. Mit ihrer Tanztruppe ging der Düsseldorfer das Projekt trotzdem an. Wäre Pina Bausch jetzt bei den Oscars an seiner Seite - „wir hätten unglaublich viel gelacht mit Pina und im Auto viele Faxen gemacht“, glaubt Wenders.

Seine Oscar-Rede, falls es so weit kommt, wollte er Pina widmen. Er habe „Rotz und Tränen geheult“, als er die Tänzerin das erste Mal in einer Vorstellung sah, erinnert sich Wenders. „Da habe ich gewusst, diesen Virus, den ich mir heute eingefangen habe, den möchte ich gerne in die Welt tragen“. Für die Musik-Doku „Buena Vista Social Club“ war Wenders im Jahr 2000 schon einmal für einen Oscar nominiert, bei der Preisvergabe ging er dann aber leer aus.

Auch Max Zähle (34) und Stefan Gieren (32) sind schon Oscar- erprobt. Im vergangenen Juni hatten die Absolventen der Hamburg Media School mit ihrem Kurzfilm „Raju“ den bronzenen Studenten-Oscar gewonnen, nun könnten sie den Kurzfilm-Oscar holen. „Das ist fast wie eine Klassenfahrt“, grinst Zähle über den Trip nach Hollywood. Sie hätten ganz viele Leute von ihrem Team mitgebracht, auch die Hauptdarsteller Julia Richter (31) und Wotan Wilke Möhring (44). In „Raju“ spielen sie ein Ehepaar, das nach Indien kommt, um ein vermeintliches Waisenkind zu adoptieren. Die beiden müssen feststellen, dass das Kind seinen leiblichen Eltern weggenommen wurde.

Unter schwierigen Bedingen, bei starkem Monsunregen, drehte das Team mehrere Wochen in Kolkata (früherer Name: Kalkutta). Nun haben sie sechs der begehrten Eintrittskarten für die Oscar-Gala in der Tasche. Modedesigner Joop hat die beiden Anwärter ausgestattet. „Man will ja gut aussehen, da sind wir wirklich dankbar“, strahlt Gieren. An den Morgen danach - mit oder ohne Oscar - will das Team nicht denken. „Wir werden erschöpft und dankbar sein“, prophezeit Julia Richter. „Wir sagen immer noch, dass es großartig ist, überhaupt nominiert zu sein“.

„Wir würden das auf jeden Fall als deutschen Oscar betrachten“, meint der Filmproduzent Steffen Reuter (39) vom Schmidtz Katze Filmkollektiv mit Standorten in Berlin und Halle. Sein Team hat das Holocaust-Drama „In Darkness“ auf die Beine gestellt, das für Polen den sogenannten Auslands-Oscar holen möchte. Für Regisseurin Agnieszka Holland (63) ist es nach „Bittere Ernte“ und „Hitlerjunge Salomon“ die dritte Oscar-Chance. „In Darkness“ erzählt die wahre Geschichte eines polnischen Kanalarbeiters, der eine Gruppe von Juden über Monate hinweg in der Kanalisation versteckte. In Koproduktion mit dem Filmstudio Babelsberg wurden etwa zwei Drittel des Streifens in Deutschland gedreht.

Auch die Babelsberger Studio-Chefs Christoph Fisser und Carl L. Woebcken fieberten in Hollywood den Oscars entgegen. Der von ihnen produzierte Roland Emmerich-Film „Anonymus“ könnte der Münchner Kostümbildnerin Lisy Christl (47) den ersten Oscar bescheren. „Als Studio kann man ja am ehesten durch das Kostümbild zeigen, was man drauf hat. In dieser Kategorie ist eine Oscar-Nominierung sehr viel wert“, sagte Woebcken.

Bis Montagfrüh wollte die deutsche Filmbranche in Hollywood kräftig feiern, live im Oscar-Theater und bei einer „Viewing-Party“ im Sunset Marquis Hotel. Wie viele Goldjungen gehen nach Germany? „Wir drücken die Daumen, dass zumindest einer dabei ist“, meint Woebcken.