Ihre Lösung heißt nicht Hass

Judi Dench brilliert als Mutter, die ihren Sohn sucht.

Foto: SquareOne/Universum

Unverheiratet und schwanger - das galt im streng katholischen Irland noch vor wenigen Jahrzehnten als Katastrophe. Man löste das Problem, indem die Frauen bis zur Niederkunft in ein Kloster gesteckt wurden. Nach der Geburt arbeiteten sie dort ihre Schuld ab, durften ihre Kinder kaum sehen und wurden oft gezwungen, sie zur Adoption freizugeben.

Der Film „Philomena“ setzt solch einer Mutter ein Denkmal. Das Drama mit einer wunderbaren Judi Dench in der Hauptrolle erzählt die wahre Geschichte einer Irin, die ihren zwangsadoptierten Sohn 50 Jahre später wiederfinden will. Regisseur Stephen Frears hat aus dem Tatsachenbericht des Journalisten Martin Sixsmith eine herzzerreißende und packende Tragikomödie inszeniert, die zurecht Chancen auf einen Oscar hat.

Der Ex-BBC-Korrespondent Martin Sixsmith (Steve Coogan, zugleich Co-Autor und -Produzent) hat eigentlich keine Lust, die menschelnde Geschichte der Krankenschwester Philomena zu recherchieren. Schlecht gelaunt fährt er mit ihr zum Kloster Roscrea. Doch dort weiß angeblich niemand mehr, was mit Anthony passierte, nachdem er mit drei Jahren adoptiert worden ist — oder an reiche Kinderlose verkauft, wie Gerüchte sagen. Über einen Barkeeper finden sie dann doch noch eine Spur. Sie führt nach Washington D.C., ins Zentrum der US-Politik.

Dench und Coogan bilden ein wunderbares Paar. Sie ist eine einfache Krankenschwester, die sich an Liebesromanen ergötzt und auf dem Flug in die USA die moderne Technik bestaunt. Coogan dagegen gibt den zynischen Zweifler, der von der Naivität der alten Dame bisweilen völlig genervt ist. Doch bald erkennt er, dass sich hinter ihrer schlichten Fassade eine zutiefst verletzte, herzensgute Frau verbirgt, die an ihrem Schicksal zu zerbrechen droht.

Zu überwältigend ist der Schmerz darüber, dass sie das falsche Leben gelebt hat — ohne Anthony, der mit seiner kindlichen Liebe tief in ihr Herz eingedrungen ist. Der Film geht mit seinem Wechselbad zwischen Lachen und Weinen unter die Haut — vor allem, weil Dench auch diese große Frauenrolle ohne Pathos spielt.

Philomenas Schmerz ist brutal und von ungeheurer Wucht, wie eine frisch aufgerissene Wunde. Und trotzdem will diese kleine, tiefgläubige Frau nicht hassen, schon gar nicht die Klosterschwestern, die ihr das Leid zugefügt haben.

Für den Atheisten Martin ist Philomenas Verständnis ein Rätsel. Am Ende muss Martin erkennen, dass Vergebung und Milde oft die bessere Antwort sind als Hass und Verachtung. „Ich bin wütend“, brüllt er seiner eigensinnigen Begleiterin entgegen. Doch Philomena sagt nur: „Das muss sehr anstrengend sein.“