Kalte Krieger im heißen Kampf
Der Brite Kenneth Branagh hat mit „Jack Ryan“ einen patriotischen US-Thriller gedreht.
Mit „Thor“ hatte Kenneth Branagh seine Regietaufe im Actionfach erfolgreich bestanden und Hollywood gezeigt, dass er nicht nur Shakespeare, sondern auch Popcornkino kann. Nun hat man dem Briten das Relaunch einer Agentenfigur anvertraut, die nach den Romanvorlagen von Tom Clancy schon seit mehr als zwanzig Jahren durchs Kino geistert. Den CIA-Analysten Jack Ryan haben schon Harrison Ford („Das Kartell“/ ““Die Stunde der Patrioten“), Alec Baldwin („Jagd auf ‚Roter Oktober’“) und Ben Affleck („Der Anschlag“) gespielt.
In die prominenten Fußstapfen tritt nun Chris Pine, der als neuer Captain Kirk auf der Brücke der „Enterprise“ bereits selbst Recycling-Erfahrungen gesammelt hat und die bewährte Filmfigur nun für ein neues Publikum erschließen soll. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 meldet sich der Ökonomiestudent Jack Ryan freiwillig zum Dienst nach Afghanistan und wird dort schwer verletzt. In der Reha-Klinik wird nicht nur die schöne Ärztin Cathy Muller (Keira Knightley) auf ihn aufmerksam, sondern auch ein Herr in schmucker Navy-Uniform, der dem Kriegshelden für seine vaterländischen Dienste dankt.
„Ich bin von der CIA“, flüstert William Harper (Kevin Costner) dem jungen Versehrten ins Ohr, der das zunächst für einen Witz hält, dann aber dem Anwerbeversuch nicht widerstehen kann. Als Analyst an der Wall Street soll er für den Geheimdienst Augen und Ohren offen halten.
Ein Schreibtischjob, so heißt es, aber schon bald wird Jack nach Moskau geschickt, um undurchsichtige Finanztransaktionen zu untersuchen. Der russische Oligarch Viktor Cherevin (Kenneth Branagh) will mit massiven An- und Verkäufen sowie einer Terrorattacke im Herzen Manhattans den Dollar zum Absturz bringen und die US-Wirtschaft in den Ruin treiben.
Was die kommunistischen Vorväter im Kalten Krieg nicht zustande brachten, will Cherevin nun mit kapitalistischen Mitteln bewerkstelligen. Branagh setzt sich selbst als putinesken Bösewicht in Szene, der seine Aggressionen unterschwellig verwaltet und immer nur für Sekunden seinen Fanatismus aufblitzen lässt. Dem gegenüber steht Chris Pine als etwas nassforscher Jung-Agent, der sich jenseits seiner Schreibtischtätigkeit noch bewähren muss.
Als klassischen Agententhriller hat Branagh dieses Jack-Ryan-Reboot angelegt, das die Geschichte des CIA-Analysten auf Anfang zurückspult, den aber in die Gegenwart transferiert. Auf seine geradlinige und überschaubare Weise ist die Angelegenheit mit zünftigen Action-Einlagen vor Moskauer Postkartenmotiven, Rededuellen in Nobelrestaurants und schicken Designerbüros recht unterhaltsam ausgefallen.
Dem Drehbuch von Adam Cozad und David Koepp hätte man allerdings mehr Raffinesse im dramaturgischen Detail gewünscht. So manche Verwicklung wirkt unglaubwürdig, etwa wenn Keira Knightley als Verlobte in Moskau aufschlägt und sogleich in die Agententätigkeit ihres Zukünftigen mit einbezogen wird. Etwas langatmig sind auch die Szenen vor Computerbildschirmen geraten, in denen der CIA-Analyst aufgeregt auf Tabellen starrt und nervös darauf wartet, dass das Herunterladen feindlicher Datensätze endlich abgeschlossen ist.
Kriechende Downloadbalken sind auf der Kinoleinwand noch weniger sexy als am heimischen Monitor. Da sehnt man sich in die Zeit zurück, als Agenten geheime Dokumente noch in Aktenkoffern verschwinden ließen und sich einfach auf und davon machen konnten.