Kunstakademie Düsseldorf Im Musentempel der Avantgarde
Klassische Kunst und Fotografie sind fast verdrängt. Die Studenten üben sich in Alternativen.
Düsseldorf. Der Run auf die Leistungsschau der Jugend in der Kunstakademie Düsseldorf beginnt am Mittwoch. 50 000 Gäste werden erwartet. Was sie zum Eiskellerberg treibt, ist die Chance, 700 Studenten live zu erleben. Dennoch ist es kein Rundgang wie sonst. Die Lehrstühle der Bildhauer Tony Cragg, Richard Deacon und Rosemarie Trockel sowie des Typografen Walter Nikkels werden erst ausgeschrieben, die Bildhauer Kiecol und Rebecca Warren gehen nach diesem Semester. Die Akademie ist im Umbruch. Von den Berufungen hängt die Zukunft des Hauses ab. Wird nur nach großen, fernen Namen und nicht nach Künstlern mit Ortsbezug gesucht, wäre es der Niedergang des Hauses. So weit ist es jedoch nicht.
Die Fotografie, mit der einst die Düsseldorfer Schule weltberühmt wurde, führt ein Nischendasein. Andreas Gursky betont nicht Fotografie, sondern „freie Kunst“. Seine Studenten scheren genussvoll aus. Der musik-begabte Paul Hempt, der als Elektro-Ingenieur angefangen hat, hängt über den Köpfen der Besucher eine Gitarre auf einer Laufschiene auf, die bei der Bewegung minimale Schwingungen erzeugt. Die harmonischen Töne entstehen durch die bloße Reibung des Apparats an der Stange und werden über einen Verstärker übertragen. Nebenbei revolutioniert Hempt die Glasmalerei, indem er Scheiben mit optischem Material beschichtet, das die Lichtrichtung der Projektion verändert. Interferenzfarben lassen die Lichtbrechung als Farbmalerei erscheinen. Pigmente sind nicht notwendig.
Vielschichtig wie die Gursky-Klasse ist die Klasse Fritsch. Fotokünstlerin Anna Lena Anton gestaltet diesmal einen Landschaftskörper aus Gips und Spachtelmasse, der dank der Oberflächenbehandlung zu vibrieren scheint. Der Neuling Sven Bernick pinselt unbeschwert auf zusammengezimmerten Holzlatten einen Pferdekörper mit drei Köpfen, die in verschiedene Richtungen stieben. Und die junge Nina Buchheim präsentiert ein „Bild“, das nicht gemalt, sondern aus Kunststoff gegossen ist. Die Arbeit wirkt auratisch in ihrem strahlenden Gelb, weil sich die Oberfläche beim Trocknen unregelmäßig zusammengezogen hat.
All die Theorien einer neuen Akademie, wie sie Rektorin Rita McBride noch zu Beginn ihrer Amtszeit verkündete, prallen an der Realität ab. Darauf macht Lukas von der Gracht frech-fröhlich aufmerksam. Er persifliert die „Kunststudenten der Zukunft“, die reich und berühmt werden möchten und viele Partys feiern wollen. In der Klasse Peyton veräppeln Hedda Schattanik und Roman Szczesny die Szene, indem sie einen Astronauten unsanft auf dem Dachboden landen lassen, wo er sich eine blutende Nase holt.
Die Malerei aber ist und bleibt die Königsdisziplin in Düsseldorf. Doch es gibt enorme Niveau-Unterschiede, denn nicht etwa die Räume des Starmalers Peter Doig ragen heraus, sondern die jener Professoren, die sich um den Nachwuchs kümmern. Wie es in der Anzinger-Klasse angesichts von 65 Studenten zugeht, zeigt eine Gemeinschaftsarbeit über und neben der Tür eines Klassenraums. Da sitzt der Meister beim Kolloquium, umgeben von rauchenden, trinkenden, diskutierenden Jüngern. Und alle versuchen sie, Ordnung in das kreative Chaos zu bringen.
Semira Witt etwa präsentiert eine eingefrorene, perfekte Landschaft, als habe sie sich ein Leben lang mit Bildern beschäftigt. Amadeus Certa besitzt eine geniale Ökonomie in seinen Erfindungen. Kaori Hiraiwa erschafft eine poetische Welt, in der sich die Tiere wohlfühlen. Und bei Herbert Brandl malt Koni Lee ein verträumtes Sehnsuchtsbild, bei dem gelbliche Ölfarbe über das Aquarell suppt.