„Kein Pardon“ als Musical: Peterchen im Fernsehland

„Kein Pardon“ präsentiert sich als eine rasante Ausstattungsrevue mit viel Retro-Charme.

Düsseldorf. Wann immer man ins Fernsehen guckt, muss man meinen, dass die Sender im Geld schwimmen. Logisch also, dass auch das Musical zum Fernsehen als überaus üppige Ausstattungsrevue daherkommt: In „Kein Pardon“, das nach seiner Vorpremiere am Donnerstag nun am Samstag im Düsseldorfer Capitol Theater offiziell Welturaufführung feiert, glitzert und glamourt es drei Stunden lang mit Pailletten und zwölfköpfiger Tänzerriege, dass Florian Silbereisen blass vor Neid werden könnte.

Die Geschichte des naiven Muttersöhnchens Peter Schlönzke, der mit Ende 20 noch zu Hause wohnt, am liebsten mit Mama und Oma Fernsehen guckt und unverhofft eine steile Showkarriere macht, hat Hape Kerkeling entwickelt und die Rolle im Kinofilm von 1993 auch selbst gespielt.

Dank der monatelangen Diskussion um „Wetten, dass . . .?“ hat Kerkeling ganz nebenher so viel PR für die Produktion gemacht, dass er selbst gar nicht mehr in Düsseldorf erscheinen musste. Trotzdem ist er dabei. Bevor der Vorhang sich hebt, verspricht er in einem Einspieler als angesäuselte Ansagerin einen „herrlichen Strauß bunter Melodien“.

Tja, das waren noch Zeiten, als es Ansagerinnen gab — und in die springt das Musical mit beträchtlichem Retro-Charme hinein. Dieses Stück ist ein nostalgisches Schunkelfest für all diejenigen, bei denen Flipper und die Biene Maja einst zur Familie gehörten und für die das Ruhrgebiet immer noch die Heimat von kohleverschmierten Bergarbeitern der Marke derb, aber herzlich ist.

Der von Thomas Hermanns, der eher bunten als grauen Eminenz der deutschen Comedy, für die Bühne adaptierte Stoff schwelgt in heimeligen Klischees über den Pott — wo ein Leberwurstschnittchen „mit Gürksken“ als kulinarischer Hochgenuss und seelisches Trostpflaster zugleich gilt.

Aus dieser Idylle wird Peter in die hochgepushte Hektik („Alles Wahnsinn, alles sinnlos“) des Fernsehens katapultiert, als er bei seinem Idol, dem Showmoderator Heinz Wäscher, vorspricht. Der singt zwar immer „Witzigkeit kennt keine Grenzen“, doch hinter den Kulissen findet der egomane Kotzbrocken wenig komisch, sondern fast alles lästig und jeden blöd.

Dirk Bach, der Star des Abends, gibt diesem Unsympathen hinreichende Schärfe. Seine Erkältung ringt der Schauspieler bewundernswert nieder, beim Hessisch-Babbeln kommt ihm jedoch das kölsche Knödeln dazwischen. Enrico De Pieri als Peter ist figürlich und bis hin zum Kopfschütteln auch mimisch eng an dem damaligen Film-Hape orientiert, singt aber besser. Peters Aufstieg zum Showmoderator, der zügig Starallüren entwickelt, und seinen abrupten Absturz absolviert der Kieler tadellos.

Der Komponist Achim Hagemann („Hurz“, „Die Popolskis“) bedient sich musikalisch bei allem, auf das die hübsch altmodische Bezeichnung schmissig passt. Das schmettert, das swingt, das rockt, das gospelt auch mal.

Bei so viel Schwung zeigt auch die Bühnentechnik, was sie alles drauf hat. Die Drehbühne kommt aus dem Rotieren nicht mehr heraus, immer wieder klappt ein neuer Guckkasten auf, schieben sich Showtreppen ins Bild oder gleich eine Hausfassade.

Nach der Pause hechelt die Story zwar ziemlich auf und ab, dafür nehmen Schauwert und schräge Einlagen zu: Da kommt man auch an Uschi Blum nicht mehr vorbei.

„Kein Pardon“ ist nicht nur handwerklich prima gelungen, sondern strahlt viel Liebenswürdigkeit aus. Man merkt an jedem Detail, dass die Macher das Fernsehen in- und auswendig kennen. So steckt hinter all dem Klamauk und den Melodramen immer auch ein Körnchen Wahrheit.