Ausstellung: Krefeld hat den großen Wurf

Städtische Kunstmuseen spüren dem „Faltenwurf“ in der Kunst und im Alltag nach.

Krefeld. Wer ein Stück Papier falten, ahmt ahnungslos wichtige Vorgänge in der Natur nach. Ohne Faltung kein Leben. Proteine falten sich. Ohne Faltung wäre auch die Kunst arm. Denn wer eine Fläche in den Raum faltet, schafft Skulptur. Aber eine Falte ist, künstlerisch betrachtet, noch viel mehr. Anschaulich macht dies eine Ausstellung mit dem Titel "Der große Wurf", die derzeit im Krefelder Museum Haus Lange und im Kaiser-Wilhelm-Museum zu besichtigen ist.

Eine Schau, die ein wenig nach kopflastiger Spekulation klingt, aber in ihrer farbigen Vielfalt und der Vielzahl der vorgestellten Formen überrascht. Und manchmal scheint es fast so, als ob die Kunst ganz tief in die Falte geschaut habe und dabei beinahe hineingefallen wäre. Der Reigen der Faltungen beginnt bei den "Vätern" der Faltungen während der 60er Jahre, mit Franz Erhard Walther etwa, der im Kaiser-Wilhelm-Museum (KWM) seinen "1. Werksatz" ausgebreitet hat.

Es sind Tücher, mit denen Menschen in soziale Kontakte treten können. Oder sein "Großes Buch", dessen 53 Blätter vom Geist des Informel beflügelt wurden - Flucht vor der Form. Im Haus Lange steht John Chamberlains "Dandy Dan D." aus zusammengedrückten Autowrack-Teilen (1963). Von Christo erinnern mehrere Objekte an die Aktion der zugedeckten Wege im Park des Hauses Lange aus dem Jahre 1971.

Diese Art von Faltungen waren das Ergebnis eines Tuns, mehr oder weniger intuitiv vielleicht, beiläufige Ergebnisse eines Arbeitsablaufs. Da haben die großen Architekten von heute mit ihren bewusst in den Himmel gefalteten Bauten schon zielgerecht geplant. Aber erst die jungen Künstler, die, häufig noch wenig bekannt, von Kuratorin Sylvia Martin ausgesucht wurden, stellen die Faltung als das Ergebnis eines genauen gedanklichen Prozesses dar und nehmen die Falte selbst als eine Art Denkfigur. Falten ist kein Spiel mehr, es ist tiefer Ernst. (Und wir verstummen erst einmal mit einer tiefen, senkrechten Falte auf der Stirn.)

Das gilt für das "Plateau III" von Doug Aitken, ein Leuchtkasten von über drei Meter Länge und 1,30 Meter Höhe im Haus Lange. Der Künstler lässt aus gefalteten Blättern ein unwirtliches, Coca-Cola-rotes Großstadtpanorama mit Wolkenkratzern entstehen, das sich in einem Wasser spiegelt, auf dem einige traurige, schwarze Schwäne schwimmen.

Leicht bedrohlich wirkt auch Olaf Holzapfels Installation "Das abseitig Freie" (KWM)), eine Konstruktion von zusammengesteckten großen Kartons, die den großen Oberlichtsaal bis zur Decke in Beschlag nimmt. Eine Art Raumfaltung hat Monika Sosnowska (KWM) unternommen, indem sie einen Raumteiler aus Metall mit schwarzen Gummistreifen quer durch einen Raum zieht. Wer hindurch schreitet, wird für Sekunden abgelenkt, und ein neues Raumbewusstsein entsteht.

Mehrfach sind Arbeiten der Koreanerin Haegue Yang vertreten. Sie zeigt etwa Fotos von einem Wäscheständer, der sich spielerisch in zahllose Variationen verstellen kann. Da schwingt auch ein ironischer Unterton mit, weiß man doch, dass solche Geräte einen Menschen vor Probleme stellt. Ein Gedankenschritt weiter, und man befindet sich beim antiken Laokoon, der sich mit seinen Söhnen in den zwei Seeschlangen verwickelt hat.

In den vielen Räumen des Obergeschosses von Haus Lange findet man weitere Beispiele für das Prinzip Faltung in der Kunst, oft kleine, poetische, fast virtuose Papiergebilde von Michal Budny oder Gareth James, der wie von einem Erdbeben verwackelte Architekturen geschaffen hat. Und wer über die Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum hinaus durch die Sammlung geht, wird auf den Hügel mit den zusammengeknäuelten Papierkugeln des Reiner Ruthenbeck treffen.

Museum Haus Lange, Wilhelmshofallee, Kaiser-Wilhelm-Museum, bis 25. Mai, Di-So 11-17 Uhr, Ostersonntag geschlossen, Ostermontag geöffnet, Katalog 200 Seiten, 28 Euro