Bazon Brock: Wortgewaltiger Künstler ohne Werk

Der Wuppertaler Ästhetik-Professor Bazon Brock wird 75.

Wuppertal. Ästhetik-Professor, Philosoph, Performer, Kunstvermittler, „Künstler ohne Werk“ — Bazon Brock ist nicht auf einen einzigen Begriff zu bringen. Der nach eigenen Worten „dienstälteste Professor für Ästhetik in Europa“, der von 1891 bis 2001 an der Bergischen Universität Wuppertal lehrte und weiterhin in der Stadt lebt, wird heute 75 Jahre alt.

Als Jürgen Johannes Hermann Brock wurde er im pommerschen Stolp geboren. Den Spitznamen Bazon verpasste ihm ein Lehrer: Auf griechisch heißt das Schwätzer. Der Mann, der Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte und Politik studierte und auch eine Dramaturgen-Ausbildung absolvierte, hatte genug Selbstironie, den Vornamen zu behalten. Wer Brock trifft, sollte auch heute genügend Zeit für seine Gedanken-Ranken mitbringen.

In den 1960er Jahren veranstaltete Brock Happenings mit Joseph Beuys, Wolf Vostell und Nam June Paik. Er hielt auf dem Kopf stehend Vorträge und warf seine Schuhe in den Ätna. Doch für ihn ist wichtig: Es sei ihm nie um „Provokation“ gegangen, sondern um „Evokation“ (einen erhellenden Blick auf die Kunst).

Das treibt ihn weiter an. Im Juli plant er für seinen ehemaligen Studenten Christian Boros, heute erfolgreicher Werber, in dessen Stiftung die Vortragsreihe „Theorie-Extase-Rallye“. Eins der vier Themen behandelt „Das Unterlassen als anstrengendste Form des Handelns“. Im kleinen Hattingen referierte er im April über den „Aphorismus — Schmerz- und Lustschreie des Geistes“.

In Zukunft werde nicht mehr die Sprache, der Glaube oder die kulturelle Herkunft die Menschen verbinden, meint er. „Gemeinsam haben sie die Probleme, die kein Einzelner beherrschen kann.“ In seinen „Profi-Bürger“-Kursen an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung will Brock seine Schüler („Bazonisten“) für diesen Alltag fit machen, vom Gesundheitssystem bis zum Begreifen komplizierter Bedienungsanleitungen.

„Künstler ohne Werk“ steht auf Brocks Internet-Seite. Denn es komme ihm nicht auf das Werk, sondern auf die Wirkung an, sagt er, „weil Werk allein eigentlich nur abgelegtes Werkzeug ist“. Bis er zu diesem Satz kommt, hat er eine lange Assoziationskette von Dürer über Jesus bis zu Thomas Mann entwickelt.

Die Grundlage seiner Theorien ist die Kriegserfahrung. „Das Entscheidende war Danzig“, sagt Brock. Dort war er in einen Phosphorbombenangriff geraten. Bis heute leidet er gesundheitlich an dem Nervengift. Doch er macht kein Aufhebens davon: „Das waren Erfahrungen, die Millionen hatten.“ Eine weitere Brocksche Lebensweisheit lautet: „Wer mit dem Schrecklichsten rechnet, hat begründete Hoffnung, dass er da durchkommt.“