Ein Leben zwischen Lust, Laster und Leid

Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt ab Freitag Werke von Amedeo Modigliani.

Bonn. Wie viele herausragende Künstler führte Amedeo Modigliani ein ausschweifendes und zu kurzes Leben. Der Italiener (1884-1920) hinterließ ein einzigartiges Werk. Einen tiefen Einblick bietet die Bonner Bundeskunsthalle mit einer großen Modigliani-Ausstellung mit Leihgaben aus aller Welt ab Freitag bis zum 30. August.

Es ist die erste größere Modigliani-Einzelschau in Deutschland seit fast 20 Jahren. Auch international gab es wenig vergleichbare Ausstellungen. Das liege auch daran, dass seine Arbeiten weltweit verstreut seien, sich vieles in Privatbesitz befinde und man Leihgaben äußerst schwierig bekomme, sagte Bundeskunsthallen-Intendant Robert Fleck.

Der italienische Maler, Zeichner und Bildhauer lässt sich keiner zeitgenössischen Stilrichtung wie dem Kubismus oder Fauvismus zuordnen, blieb Porträts und Akten treu. Er schuf vor allem Gemälde (etwa 420) und Zeichnungen (rund 1000). Von 1909 bis 1913 widmete er sich auch der Bildhauerei und hinterließ etwa 25 Skulpturen. Die Bonner Schau widerspiegelt mit der Zusammenstellung von 40 Gemälden, 70 Zeichnungen und einigen Skulpturen das Oeuvre. Erhellend wirken neben Werken angebrachte Zitate von Weggefährten und Zeitgenossen. "Ein komplizierter Charakter. Ein Schwein und eine Perle", urteilte die englische Schriftstellerin Beatrice Hastings, eine seiner Geliebten.

Die Schau beginnt mit frühen weiblichen Portalfiguren. Es folgen Porträts von Pablo Picasso und dem Kunsthändler Max Jacob. Ein Raum ist Geliebten gewidmet. Zentraler Anziehungspunkt der Schau sind großzügig gehängte Öl-Akte von 1916 bis 1917 wie der "Liegende Akt" (Céline Howard). Der aus Livorno stammende Modigliani zog 1906 nach Paris, hatte ein Atelier auf dem Montmartre und gehörte zur legendären Avantgarde-Künstlerszene um Picasso und die Café-Boheme.

Sein Leben war von Krankheiten, Ausschweifungen, Zweifel und Armut geprägt. Die Anerkennung zu Lebzeiten war bescheiden. Als Ende 1917 in der ersten Einzelaustellung Modiglianis in der Galerie Berthe Weill in Paris neben Porträts auch nackte Schönheiten auf Leinwand gezeigt wurden, war dies ein Skandal. Schon früh in Italien hatte er sich dem Akt gewidmet, der ihn wie das Porträt wohl rauschartig faszinierte.

Frauen malte Modigliani für immer unverwechselbar mit aprikosenfarbener Haut, gestreckten Hälsen und Gesichtern und kleinen, leeren Augen. Sie wirken wie klassische Schönheiten, eher ehrenhaft denn lasziv, scheinen sich aber klaren Situationsdeutungen zu entziehen. Dabei waren es für Modigliani immer individuelle Charaktere. Ihr unerforschbares Seelengeheimnis zwischen Lust oder Leid allein verlockt zum Besuch der Ausstellung.