Pioniere der Moderne Emil Nolde und Paula Modersohn-Becker im Dialog
Bremen (dpa) - Leuchtend blau sind die Augen der jungen Frau vor hellen Blumen, sonnenblumengelb ihre Haare. Der deutsch-dänische Maler Emil Nolde (1867-1956) wollte die Betrachter mit solchen farbintensiven Porträts zum Lachen, Jubeln und Weinen bringen.
Auch seine Worpsweder Künstlerkollegin Paula Modersohn-Becker (1876-1907) kombiniert auf ungewöhnliche Weise Figuren und Blumen. Ein schüchternes Mädchen platziert sie inmitten überlebensgroßer Feuerlilien.
Im Paula Modersohn-Becker Museum Bremen treten ausgewählte Arbeiten dieser beiden Ausnahmekünstler in einen direkten Dialog. Die Ausstellung „Emil Nolde trifft Paula Modersohn-Becker“ (9.11. - 29.1.18) inszeniert auf zwei Etagen 70 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Drucke, allem voran Werke aus Bremer Häusern und der Nolde-Stiftung in Seebüll.
Frank Schmidt, Direktor der Kunstsammlungen Böttcherstraße, sprach von einer Premiere: „Diese erste direkte Gegenüberstellung ermöglicht überraschende Vergleiche zwischen zwei Pionieren der Moderne, die sich bei aller Verschiedenheit vor allem als eines präsentieren: als Menschenmaler.“ Anlass ist Noldes 150. Geburtstag im nächsten Jahr.
Im Frühling 1900 kreuzen sich das erste und einzige Mal die Wege beider Künstler in Paris. Nolde bezeichnet die junge Frau aus der Künstlerkolonie Worpswede damals als „klein, fragend, lebhaft“. Paula Modersohn-Becker imponierte das ernsthafte Streben des Kollegen. Beide hatte die französische Kunstmetropole geprägt.
Die Zeitreise in der Bremer Ausstellung beginnt mit den frühen Aktstudien. Beim Zeichen nach nackten Modellen geht es Paula Modersohn-Becker um Konturen und Formen. Die Striche setzt sie deutlicher als Nolde. Den reizen eher die weichen Halbtöne und plastische Darstellungen. Beide hätten sich ihre Kunst hart erarbeitet, sagte Astrid Becker von der Nolde-Stiftung: „Nolde hatte keinen finanziellen Rückhalt und Widerstände in seiner Familie, Paula kämpfte gegen die Ungleichheit der Geschlechter zu dieser Zeit.“
Im Themenraum nebenan geht es um das Maskenhafte. Noldes „Erregte Menschen“ schockieren durch Farben und Fratzen. Paula Modersohn-Becker übersetzt das Gesicht von „Lee Hoetger“ mit kantigen Linien ins Maskenhafte. Auch die verträumten Augen im „Bildnis Rainer Maria Rilke“ wirken erstarrt. „Beide Maler wollten Typen schaffen, das Wesentliche festzuhalten“, sagt Ausstellungsmacher Schmidt. Damals seien viele Künstler Afrika-begeistert gewesen und in die Völkerkundemuseen gepilgert.
Nolde und Modersohn-Becker begeistern sich zudem für die Ursprünglichkeit von Kindern. Paula Modersohn-Becker lässt zwei Mädchen an einem Birkenstamm lehnen. Ihre Kleider, den Strohhut, das Teufelsmoor hält sie mit pastosem Pinselstrich fest, ohne ins Detail zu gehen. Auch Nolde geht es nicht um eine Eins-zu-eins-Abbildung seiner Modelle, sondern um das, was ihn bewegt: Die Innigkeit von Mutter und Tochter mit den plakativen Augen ist ihm wichtiger als ein wiedererkennbares Porträt.
Nach den jüngsten Retrospektiven in Dänemark und in Paris sei Paula Modersohn-Becker international spürbar bekannter geworden als bisher, sagt Schmidt. Auch die aktuelle Gegenüberstellung ihrer Porträts, Kinderbilder und Aktstudien mit denen von Nolde zeige die Bedeutung dieser Vorläuferin des Expressionismus: „Nolde und Paula Modersohn-Becker sind Ausnahmekünstler auf Augenhöhe.“