Karl Otto Götz wird 100 - Voller Leidenschaft für das Abstrakte
Der Aachener Karl Otto Götz ist ein Pionier der modernen Kunst. Seine Bilder hängen in den Machtzentren der Politik.
Niederbreitbach. Er ist der große alte Meister der deutschen Nachkriegskunst, und man nennt ihn kurz K.O. Götz. Am SAmstag wird Karl Otto Götz — einer der kraftvollsten abstrakten Maler und Wegbereiter der modernen Kunst Deutschlands — 100 Jahre alt. In seinem Leben spiegelt sich auch die von Brüchen und Revolutionen geprägte Kunstgeschichte der letzten 100 Jahre.
Geboren wurde er kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Unter den Nazis hatte Götz wegen seiner Vorliebe für Abstraktes Malverbot. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte er die deutsche Kunst mit seiner abstrakten Malerei wieder international hoffähig. Er war als einziger Deutscher Mitglied der internationalen Künstlergruppe CoBrA. Götz’ Schüler an der Düsseldorfer Kunstakademie, Gerhard Richter und Sigmar Polke, wurden weltberühmt. Er setzte sich für Joseph Beuys ein.
Seit vielen Jahren lebt Götz mit seiner Frau Rissa (75), die auch eine bekannte Künstlerin ist, im Örtchen Niederbreitbach-Wolfenacker im Westerwald. Sein Augenlicht hat ihn langsam verlassen. Seit drei Jahren ist er ganz blind. Aber sein „Auge“ ist Rissa, mit der er seit fast 50 Jahren verheiratet ist. Kennengelernt hatten sich beide an der Kunstakademie Düsseldorf, wo Götz 20 Jahre Professor war. Immer noch malt er mit Rissas Hilfe in seinem Atelier. Rissa sagt ihm, ob ein Werk gelungen ist oder nicht. „Wir haben schwer zu tun“, sagt sie. An den Atelierwänden stehen die kühnen Schwarz-Weiß-Kompositionen, mit denen Götz berühmt wurde.
Eine schwarze Strickmütze trägt K.O. Götz auf dem Kopf und am Revers seines Jacketts das Bundesverdienstkreuz und Landesorden. Er hört zu und kommentiert mit ironischen Einwürfen. An seine Jugend erinnere er sich, sagt Götz. Er liebte das Speerwerfen und das Segelfliegen. „1933 war es vorbei.“ Mit den Nazis habe er nichts zu tun haben wollen. Den „dicken Göring“ habe er mal von weitem gesehen, sagt Götz verächtlich.
K.O. Götz war befreundet mit Hans Arp und Otto Dix, dem er mal Jazz-Schallplatten ins Atelier gebracht habe. Götz aber lebt durchaus nicht in der Vergangenheit. Auch wenn er 100 wird, möchte er nicht auf den Computer verzichten. Wenn er sich informieren will, dann recherchiert Rissa für ihn im Netz.
Was hält Götz von seinem mittlerweile 82 Jahre alten Schüler Gerhard Richter, der heute der zweitteuerste zeitgenössische Maler ist? „Er ist schweigsam und fleißig“, sagt Götz. Und Gerhard Richter habe Talent. Als Akademieprofessor ließ Götz ihm und seinen anderen Schülern immer freien Lauf.
„Abstrakt ist schöner.“ So lautete das künstlerische Lebensmotto des Biennale- und Documenta-Teilnehmers, dessen stilistische Anfänge nah bei den Surrealisten und Miró lagen. Götz’ spätere Bilder mit ihren dynamischen gelben, blauen oder roten Farbströmen, Wirbeln und Schlieren wirkten dagegen wie „aufgepeitschter Raum“, so sagte es sein Freund Edouard Jaguer schon 1954. „Meine Malerei lebt vom Rhythmus meiner Pinselzüge und Rakelschläge“, sagte Götz einmal.