Picassos Sylvette-Porträts in der Kunsthalle Bremen
Bremen (dpa) - Als Christoph Grunenberg 2010 in Liverpool eine Picasso-Ausstellung zeigt, lernt er eines der letzten lebenden Modelle des Malers kennen: Sylvette David. Den Kunsthistoriker faszinieren die Erinnerungen der betagten Dame.
Drei Jahre später ist er Direktor der Kunsthalle Bremen und entwickelt dort um das „Sylvette“-Porträt der Sammlung eine Ausstellung zum Thema Maler und Muse. Internationale Leihgaben machen seiner Ansicht nach die Schau „Sylvette, Sylvette, Sylvette. Picasso und das Model“ (22. Februar - 22. Juni) einmalig, wie Grunenberg in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa sagt.
Frage: Was unterscheidet Ihre Picasso-Ausstellung von anderen?
Antwort: Es gab schon viele Picasso-Ausstellungen, aber zu wenige betreten Neuland. Die „Sylvette“-Porträts, diese wirklich wichtige, aber unterbewertete Serie, wurde noch nie zusammen gezeigt. Bei uns ist die junge Sylvette mit blondem Pferdeschwanz jetzt in Zeichnungen, Gemälden, wunderbaren Keramiken und gefalteten Blechskulpturen zu sehen. Hinzu kommen Fotografien von berühmten Picasso-Fotografen, die Muse und Maler zeigen. Die vergessene Porträtserie wird dadurch wieder zum Leben erweckt. Mich wundert, warum das niemand vor uns probiert hat.
Frage: Was faszinierte den damals 73-jährigen Picasso an der 19-jährigen Sylvette?
Antwort: Vor jetzt 60 Jahren machte Picasso eine Krise durch. Françoise Gilot hatte den alternden Maler kurz zuvor mit beiden Kindern verlassen. Sie ihn und nicht umgekehrt. In dieser Situation entdeckt er Sylvette, diese attraktive junge Frau. Er porträtiert sie zwei Monate lang. Durch den Medienrummel wird die junge Frau mit ihrem Look zum Sinnbild einer ganzen Generation. Brigitte Bardot schreibt in ihrer Autobiografie, dass sie und Sylvette sich wie ein Ei dem anderen geähnelt hätten.
Frage: Was bedeutet für Ihr Picasso-Projekt die Begegnung mit dieser Zeitzeugin?
Antwort: Mit Ausnahme von Picassos Lebensgefährtin Françoise Gilot sind nur noch wenige Menschen am Leben, die so prominent in einer Serie verewigt wurden wie Sylvette. Für mich war es eine große Chance, mit dieser Zeitzeugin zusammen zu arbeiten. Ohne jede Müdigkeit hat sie mir sehr charmant, sehr ehrlich von dem erzählt, was passiert ist und was nicht. Zum Beispiel, dass sie den Avancen von Picasso, diesem notorischen Schürzenjäger, wohl heldenhaft widerstanden hat und für ihn auch nie als Akt posierte.
ZUR PERSON: Christoph Grunenberg (51) gehört zu den international gefeierten Ausstellungsmachern. Zu seinen wichtigsten Projekten zählen „Summer of Love: Psychedelische Kunst der 60er Jahre“ (2005), „Picasso: Peace and Freedom“ (2010), „René Magritte: Das Lustprinzip“ (2011) und „Friedensreich Hundertwasser: Gegen den Strich. Werke 1949-1970“ (2012). Nach seiner Promotion in London hat der Kunsthistoriker etwa an Museen in Washington, Basel oder London gearbeitet. Seit 2011 leitet Grunenberg die Kunsthalle Bremen.