Kölner Dom: Der Glaube an die Farbe
Architektur: Gerhard Richters neues Fenster für den Kölner Dom wird am Samstag eingeweiht. Es entsteht aus 11 500 Farbquadraten.
<strong>Köln. "Ich war verblüfft und fassungslos", so beschrieb Barbara Schock-Werner letzte Woche in einem Vortrag ihren ersten Eindruck von den Entwürfen Gerhard Richters für ein neues Dom-Fenster im Jahr 2004. Das kann man sich bei der resoluten Kölner Dombaumeisterin eigentlich kaum vorstellen. Doch so grandios der Schachzug des Metropolitankapitels und der Dombauhütte war, den weltberühmten Maler für die Gestaltung des südlichen Querhausfensters des Kölner Doms zu gewinnen - damit hatte man nicht gerechnet. Richters inzwischen realisierter Entwurf überzieht das 113 Quadratmeter große Fenster mit einem Raster aus 11500 Farbquadraten. Die Quadrate sind aus mundgeblasenem Echtantik-Glas und haben eine Kantenlänge von 9,4 cm. Insgesamt 72 verschiedene Farben hat Richter ausgewählt, die mit Hilfe computergesteuerter Verfahren über die Fläche verteilt und danach vom Künstler durch Spiegelungen und Wiederholungen neu rhythmisiert wurden. Richter, der von sich selbst sagt, nicht gläubig zu sein, bezieht sich damit auf sein Gemälde "4096 Farben" aus dem Jahr 1974. Was sich aus dem Oeuvre Richters organisch entwickelt hatte, widersprach allerdings grundlegend der Aufgabenstellung von Barbara Schock-Werner und dem Domkapitel: Eine gegenständliche Darstellung von Märtyrern des 20. Jahrhunderts wie Edith Stein hatte man sich gewünscht. Damit sollte an die ursprünglich von Friedrich Wilhelm I. von Preußen im 19. Jahrhundert gestiftete Version angeknüpft werden, die Erzbischöfe und Könige zeigte. Da im Zweiten Weltkrieg sowohl das Südfenster als auch die in Berlin lagernden Pläne zerstört wurden, war an eine Rekonstruktion nicht zu denken. So entschloss man sich in der Nachkriegszeit zu einer blassgrauen Verglasung, die sich aber gerade bei tiefstehender Sonne schnell als zu hell erwies.
Der Wunsch nach einer farbigen Gestaltung sei seit Jahren vorhanden gewesen, so Schock-Werner, doch man habe die Probleme einer gegenständlichen Darstellung unterschätzt. Das zeigten offenbar die Vorschläge der Künstler Manfred Hürlimann und Egbert Verbeek, die gleichzeitig neben Richter mit Entwürfen beauftragt wurden. "Ganz langsam überzeugte Richter uns", gestand die Dombaumeisterin.
Die Herstellung des Fensters zog sich dann über zwei Jahre hin; die unterschiedliche Ausdehnung der Farbquadrate bei Hitze und der Verzicht auf die Bleistreben machten umfangreiche Tests mit Silikonverklebungen notwendig. Als weniger kompliziert erwies sich dagegen die Finanzierung: Richter verzichtete großzügig auf ein Honorar, die Kosten von 370 000 Euro wurden ausschließlich durch Spenden aufgebracht.
Gerhard Richter Er wird 1932 in Dresden geboren, studiert zunächst an der Kunstakademie seiner Heimatstadt, ab 1961 dann in Düsseldorf. Zwei Jahre später ruft er ironisch den "Kapitalistischen Realismus" aus; von 1971 bis 1993 lehrt er an der Rheinischen Kunstakademie. Seit 1983 wohnt Richter in Köln. Er zählt zu den bedeutendsten Malern der Gegenwart. 2002 feierte ihn das New Yorker Museum of Modern Art mit einer umfassenden Retrospektive.
Richter-Fenster Das Fenster ist im südlichen Querhaus des Kölner Doms installiert und blickt auf den Roncalli-Platz hinaus. Die Ausstellung "4900 Farben und Entwürfe zum Kölner Domfenster" ist ab kommenden Samstag bis 13. Januar 2008 im Museum Ludwig zu sehen.