Kollwitz zeigt Lust an Erotik

Das Käthe Kollwitz Museum präsentiert eine Schau mit überraschend lebensfrohen Bildern.

Köln. Käthe Kollwitz (1867 - 1945) gilt als sozial engagierte Künstlerin, die seit dem Tod eines ihrer Söhne im Ersten Weltkrieg zur eingeschworenen Pazifistin wurde. Kaiser Wilhelm II. tat ihre Werke als "Rinnsteinkunst" ab, und die Nazis belegten sie mit Berufsverbot. Zu ihrem 65. Todestag widmet ihr das Käthe Kollwitz Museum Köln eine Schau, die all die verhärmten Mutter-Motive mit den toten Kindern beiseite schiebt und sie als Künstlerin von Montmartre präsentiert. "Paris bezauberte mich" nennt sich die Ausstellung.

Die junge Kollwitz war hingerissen von der französischen Kunst, die sie in der 1896 eröffneten Nationalgalerie sah. 1901 und 1904 besuchte sie Paris, ohne Ehemann und ohne Kinder. Sie genoss das freie Leben, besuchte Tanzlokale und skizzierte die Liebespaare in den Straßen. Noch drei Jahre nach diesem Aufenthalt schuf sie Liebesakte, verbarg sie aber in der Schublade, denn erotische Bilder wagte sie offensichtlich nicht einmal in der Familie zu zeigen.

In Paris besuchte sie die berühmte Galerie Vollard und erwarb "La Bete" von Picasso, eine Vergewaltigungsszene, in der der Täter der Tänzerin in den Schritt fasst. Schon dieser Kauf war mutig. Sie ließ sich von dem Werk inspirieren, schuf ein ähnliches Motiv, was sie jedoch wieder versteckte.

Die erotische Bedeutung der frühen Kunst von Käthe Kollwitz zeigt sich auch in einem weiblichen sitzenden Akt. Köln zeigt aber auch eine Mutter, die sich über ihr totes Mädchen beugt, als wolle sie es mit ihrem Atem ins Leben zurückholen.

Höhepunkt in Köln ist ein "Weiblicher Rückenakt auf grünem Tuch" (1903). Die große Grafikerin genießt den Körper im Spiel von Licht und Schatten. Aus einem grünen Tuch heraus wie aus einem Kelch entwickelt sie den Rückenakt, spielt mit verschiedenen Lichtquellen und sorgt für feine Abstufungen in den hellen und dunklen Valeurs.

Das Käthe Kollwitz Museum in Köln (es gibt auch ein Museum gleichen Namens in Berlin) ist eine besondere Einrichtung, denn es gehört der Kreissparkasse Köln - nicht als Stiftung, sondern als Abteilung des Geldinstituts. Die Museumsleiterin Hannelore Fischer firmiert als Bereichsdirektorin und ist dem Vorstandsvorsitzenden direkt zugeordnet. Ihr Institut ist großzügig ausgestattet, beschäftigt neun Personen, unterhält eine Bibliothek und kann sich Ankäufe leisten. Heute beherbergt es die umfangreichste Kollwitz-Sammlung der Welt.

Zu verdanken ist dies den Zwillings-Enkelinnen von Kollwitz, die in Köln leben und heute 87Jahre alt sind. Sie boten einst ihren Nachlass der Staatsgalerie Stuttgart und dem Wallraf-Richartz-Museum an, die jedoch nicht alle 100 Werke kaufen wollten. Die Arbeiten befanden sich bereits beim Auktionator, als die Kreissparkasse zugriff. Sie unterschrieb zugleich die Bedingung der Erben, ein Kulturinstitut zu gründen - und das wird nun auch schon 25 Jahre alt.