Künstlerpaar Gilbert und George stehlen Schlagzeilen
Das Duisburger Museum Küppersmühle zeigt mit „London Pictures“ eine opulente Schau des Künstlerpaares.
Duisburg. Die Künstler haben geklaut. Jahrelang. Dabei waren Gilbert (69) und George (71) die am besten gekleideten Diebe in ganz London, wenn sie in ihren Tweed-Anzügen loszogen, um sich die Plakate mit den Schlagzeilen vor den Zeitungsläden zu besorgen. Einer ging in den Shop und kaufte Kaugummi, der andere ließ das Plakat verschwinden. „Wir hatten schließlich Schubladen voller Kaugummi“, sagt George — und 3712 Plakate. Denn die Ladenbesitzer fanden es obskur, dass jemand die reißerischen Ankündigungen wollte und rückten sie nicht heraus.
Einen Teil der Schlagzeilen haben sie abfotografiert und zu Collagen zusammengestellt. Auf jedem dieser „London Pictures“ lugen die Künstler in anderer Pose hinter den fetten Buchstaben hervor, unten rechts haben sie zu ihrer Signatur stets ein Profil der Queen platziert. „Das gibt uns eine Art amtliches Siegel“, sagt George. Gefragt haben sie Elizabeth II. natürlich nicht. Reagiert hat sie ebenso wenig.
69 der großformatigen Arbeiten füllen nun die Wände im Duisburger Museum Küppersmühle. In zehn anderen Städten weltweit haben Gilbert und George diese Arbeiten schon gezeigt, doch diese Schau ist am umfangreichsten.
Seit 45 Jahren gehört das Paar zu den Aushängeschildern der britischen Kunstszene. Als junge Performance-Künstler haben sie in Ganzkörperbemalung zu immer demselben Song stundenlang vor Publikum getanzt — um 1970 recht innovativ und Grundstein für eine Kunst, die jedem verständlich sein will.
Von Anfang an wollten Gilbert & George aus dem Rahmen fallen, aber wohlgeordnet. Sie lieben ihren festgelegten Tagesablauf und haben es perfektioniert, dass einer die Sätze des anderen beendet. Sie müssen sich nicht einmal dabei ansehen. Zum strikt gepflegten Image gehört der gediegene Auftritt. Zur Präsentation am Donnerstag zeigten sie sich im unterschiedlich grünen Tweed, aber mit gleich großen Karos und gleichen Krawatten.
Das Provokante der 90er Jahre, als sie durch das Hantieren mit Körperflüssigkeiten den naheliegenden Tabubruch probten, tragen die Herren heute nicht mehr vor sich her. Für ihre „London Pictures“ braucht man wohl etwas Anlauf, weil die stets gleiche Aufmachung die Sehlust erst wenig reizt. Doch wer sich dieser Ballung von Tod, Gewalt und Liebe, Geld und Sex aussetzt, der kommt schnell ins Grübeln über eine Welt, die sich vor allem um diese Themen dreht.