Marx kauft „Das Kapital“ von Beuys
Berlin (dpa) - Es ist ein ziemlich einmaliger Coup, den der 94-jährige Berliner Unternehmer und Kunstsammler Erich Marx gelandet hat.
Fast 30 Jahre nach dem Tod des legendären Aktionskünstlers Joseph Beuys kauft Marx mit „Das Kapital“ das letzte monumentale Werk, das der Meister noch persönlich eingerichtet hat - und das seither als sein Vermächtnis gilt. Jetzt soll es vom schweizerischen Schaffhausen nach Berlin verfrachtet werden.
„Mir wurde ein Preis genannt, wo ich mich erstmal schon am Ohr kratzen musste“, gesteht der Mäzen, der schon beim Aufbau seiner bisherigen Sammlung nicht gerade knausrig war. Als Käufer seien außer ihm das Metropolitan Museum in New York und „ein arabischer Staat“ im Gespräch gewesen. „Wenn die im Spiel sind, ist es nicht mehr billig“, meint Marx schmunzelnd, mag aber nur verraten, dass er letztlich einen „nicht kleinen zweistelligen Millionenbetrag“ gezahlt habe.
Der sonst ausgesprochen publikumsscheue Sammler nimmt aus dem feierlichen Anlass am Dienstag sogar an einer Pressekonferenz teil. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und die Berliner Museumsgrößen überschütten den hellwachen, weißhaarigen Herrn mit Lobeshymnen. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und oberste Museumsherr Hermann Parzinger gibt das Bonmot aus: „Marx kauft das Kapital.“
Für die Berliner Museen, die derzeit unter der Schließung des Pergamon-Saales und der Sanierung der Neuen Nationalgalerie leiden, ist die neue Dauerleihgabe ein hochwillkommene Attraktion. Schon im nächsten Jahr wird sie probeweise im Museum Hamburger Bahnhof aufgebaut, das seine Existenz der Sammlung Marx zu verdanken hat. Und ab 2020 soll sie dauerhaft im geplanten Museum der Moderne eine Heimstatt finden. Das Geschenk sei ein „großer Ansporn“, den Bau rasch umzusetzen, so Grütters.
Allerdings hat der spektakuläre Besitzerwechsel eine Vorgeschichte. Joseph Beuys (1921-1986) hatte die Installation „Das Kapital Raum 1970-1977“, so der vollständige Titel, 1980 für die Biennale in Venedig geschaffen. 1984, zwei Jahre vor seinem Tod, baute er das Werk in den eigens dafür eröffneten Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen wieder auf.
Für das mehr als 100 Quadratmeter große Raumwerk mit einem Flügel, Waschzubern, Filmprojektoren und mehr als 50 Kreidetafeln wurde sogar die Decke in der ehemaligen Kammgarnspinnerei durchbrochen. Mit weiteren Werken von Größen wie Robert Ryman, Bruce Nauman, Jannis Kounellis und Sol LeWitt machte der Künstler und Betreiber Urs Raussmüller das Museum in den Folgejahren zu einer Kultstätte für die Kunst der 60er und 70er Jahre.
Doch plötzlich erhoben drei Kunstsammler Anspruch auf den legendären Beuys - womöglich wegen Meinungsverschiedenheiten um den Kurs des Hauses. Sie machten geltend, die Auftraggeber für Raussmüllers Kunstankauf gewesen zu sein. Nach einem erbitterten Rechtsstreit sprach das Schaffhauser Obergericht ihnen Anfang 2014 „Das Kapital“ rechtskräftig zu. Ihres Herzstücks beraubt, wurden die Hallen für Neue Kunst endgültig geschlossen.
„Das ist die traurige Seite der für uns glücklichen Geschichte“, sagt der Leiter des Berliner Museums Hamburger Bahnhof, Eugen Blume. Die drei neuen Besitzer hätten das Werk jedoch nicht an einen Spekulanten verkaufen wollen, sondern nur an ein Museum. „Als ich mit Erich Marx darüber sprach, fand ich sein Herz nicht nur erwärmt, sondern in Flammen.“ Und sogar die Witwe Eva Beuys gab ihren Segen - sie hatte lange vor einer „Zerstörung“ des Werks durch einen Umzug gewarnt.