Münchner Kunstfund: „Rückgabe der Werke ist nicht aussichtslos“
Rechtsanwältin Katharina Garbers-von Boehm über die Ansprüche möglicher Erben, Verjährung und juristisches Tauziehen.
Berlin. Eine Rückgabe möglicher NS-Raubkunstbilder aus dem spektakulären Münchner Kunstfund an Nachkommen früherer Besitzer ist nicht von vornherein aussichtslos. Das meint die Berliner Rechtsanwältin Katharina Garbers-von Boehm.
Frau Garbers-von Boehm, wem gehören die 380 Werke aus dem Kunstfund, die dem Bereich „entartete Kunst“ zugeordnet werden?
Katharina Garbers-von Boehm: Man muss die Erwerbsgeschichte anschauen und fragen, ob das jeweilige Bild Eigentum des Museums war, dem es entzogen wurde, und auf welcher Rechtsgrundlage es beschlagnahmt wurde. Wenn das Werk auf der Grundlage des Einziehungsgesetzes von 1938 beschlagnahmt wurde, besteht wenig Hoffnung, das Werk zurückzuerlangen. Es sei denn, man kann sich mit Herrn Gurlitt einigen, zum Beispiel über einen herabgesetzten Erwerbspreis. Bei der „entarteten Kunst“ hat der NS-Staat letztlich sein eigenes Eigentum beschlagnahmt und entwertet. Die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger muss dafür einstehen. Anders kann es sein, wenn ein Kunstwerk eine Leihgabe für ein Museum war und dann beschlagnahmt wurde.
Bei 590 Bildern wird geprüft, ob ein „NS-verfolgungsbedingter Entzug“ vorliegt. Gibt es Ansprüche auf Rückgabe an Erben früherer Besitzer?
Garbers-von Boehm: Ob es Ansprüche gibt, hängt auch hier von der jeweiligen Erwerbsgeschichte ab. Daneben ist die Verjährung bei all diesen Fällen die große juristische Herausforderung. Öffentliche Institutionen wie Museen machen den Verjährungseinwand bei NS-bedingt entzogenem Kulturgut nicht geltend, weil sie sich an die Washingtoner Prinzipien halten. Allerdings bindet diese Erklärung Privatpersonen nicht.
Können Nachkommen jüdischer Besitzer die Rückgabe der Werke noch einklagen?
Garbers-von Boehm: Sie können klagen, aber sie laufen Gefahr, dass Gurlitt vor Gericht die Einrede der Verjährung erhebt. Allerdings kann man sich in diesem Fall wohl darüber streiten, ob das Sichberufen auf Verjährung rechtsmissbräuchlich wäre. Denn der Vater von Cornelius Gurlitt hatte seinerzeit die Unwahrheit gesagt, indem er behauptete, die Werke seien verbrannt. Das ist aber wiederum keine Behauptung, die Cornelius Gurlitt aufgestellt hat.
Was bedeutet das konkret?
Garbers-von Boehm: Eine Rückgabe der Werke ist rechtlich kein Selbstläufer. Aber sie ist nicht aussichtslos. In der Praxis wird in solchen Fällen ganz häufig eine Einigung gefunden. Beispiel ist das aus Gurlitts Sammlung versteigerte Bild „Der Löwenbändiger“ von Max Beckmann mit der Provenienz Alfred Flechtheim. Beide Parteien einigten sich, den Erlös zu teilen. Solche Restitutionsvereinbarungen sind in der Praxis gang und gäbe.