Videokunst: Bilder von Liebe und Tod
Eine große Retrospektive der finnischen Künstlerin Eija-Liisa Ahtila ist in Düsseldorf zu sehen.
Düsseldorf. Die finnische Videokünstlerin Eija-Liisa Ahtila lebt in Helsinki in einem romantischen Haus mit Garten, zwischen Meer und Bergen. Dieses Milieu ihrer Heimat mit dem wunderbaren Licht, den märchenhaft schönen Häusern, weiter Landschaft und endlosen Straßen bildet den Ausgangspunkt ihrer Videos und ihres Filmstils. Das zeigt die große Ahtila-Retrospektive im K21.
Die Pionierin einer neuen, erzählerischen Video-Kunst erzeugt jedoch nicht etwa Heimatfilme oder Liebesromane. In ihren Innen- und Außenräumen ereignen sich menschliche Dramen von Liebe und Eifersucht, Tod und Trennung, Sehnsucht, Schuld und Sühne, Gewalt und Katastrophen. Ihre Sequenzen beginnen im Alltäglichen.
Mädchen sitzen am Tisch, schmieren Brote und schneiden einer Frau auf einem Illustriertenbild den Busen ab. "Ich wünsche mir, ich wäre größer und fotogener", sagt eine der Kindfrauen und blickt gen Himmel. "If 6 was 9" (1995/96) heißt der Streifen, was so viel wie "Das Obere nach unten" bedeutet - ein Film über Heranwachsende und ihre Sexualität.
Bilder prägen sich ein: Eis bricht. Ein Ehepaar stürzt ins kalte Wasser. Scheidung als Tod. Aber der Film geht weiter, die Frau glaubt, der Verstorbene sei zu ihr zurückgekehrt. Als sie ihn greifen will, löst er sich in dunklen Farbflecken auf. Liebe als Halluzination? In "Wo ist Wo", das in Düsseldorf seine Weltpremiere erlebt, lassen zwei brave Buben am Küchentisch ein Klapp-Messer kreisen.
Einer steckt es ein. Das Spiel ist der Beginn einer Geschichte über die Tötung eines jungen Franzosen durch arabische Freunde im Algerienkrieg. Dokumentation und Fiktion verschmelzen zu einer Film-Meditation über Kolonialismus und Schuld, Vergeben und Erinnern.
Immer wieder spalten sich die Personen auf, Verstorbene haben lebende Doppelgänger. Zeiten und Räume driften auseinander und werden an den Schnittkanten neu komponiert. Eine junge, schöne Frau in "Das Haus" (2002) leidet unter Psychosen. Auf drei Leinwand-Projektionen mit divergierenden Geschwindigkeiten und Perspektiven zeichnet sich ihr Innenleben im Außenraum ab. Räumlich weit voneinander getrennten Bildern verwirren den Betrachter, zumal jede Sequenz verschiedene Bewegungs-Richtungen hat. Ein Auto fährt vor und zurück, gegen den Betrachter und gegen den Horizont, über Asphalt und eine Tapete, absurd wie in einer Kafka-Szene. Der Film handelt auch vom Verdunkeln der Räume: Was sieht man, wenn man nichts sieht?
Eija-Liisa Ahtila benutzt moderne Techniken und Zitate vorhandener Filme oder filmt selbst - auch mit ihrem Mann. Aus gemeinsamem Material entstand "Fishermen/Etudes No. 1", eine Darstellung des täglichen Überlebenskampfes westafrikanischer Fischer im Atlantik. Menschen versuchen vergeblich, in See zu stechen, kentern, beginnen neu. Weiße Gischt knallt gegen dunkle Haut. Doch am Horizont gleitet ein anderes Boot leicht über das Wasser - eine Hoffnung, wie Sisyphus neu zu beginnen.
Filmwände und Projektoren sind im Saal des K 21 so verteilt, dass sich Bilder und Worte aus verschiedenen Perspektiven ergeben und erst vom Betrachter zusammengesetzt werden müssen. Die Verschränkung von Psychologie und Räumen, von Roman-Passagen und Bildern, das Spiel mit scheinbar objektiven Darstellungen und surreale Spezialeffekte - all dies macht Ahtilas Videos doppeldeutig. Der Betrachter ist nie ganz sicher, ob die eine Sequenz in der Vergangenheit oder Gegenwart spielt, dem Ich oder dem Du gilt.