Leon Löwentraut: Mit 19 ein Hype — und bald ein Picasso?

Als Autodidakt wurde der Meerbuscher Leon Löwentraut auserwählt, die Entwicklungsziele der Unesco zu malen. Die Werke gehen in die Welt. Eine Begegnung in Düsseldorf.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Kameraleute warteten gestern brav in der Galerie Geuer & Geuer, bis sie an die Reihe kamen, um den blonden Jüngling Leon Löwentraut vor seinen Bildern festzuhalten. Die Eltern Heike und Jörg hatten sich schick gemacht. Die Mutter trug zu ihren Stöckelschuhen ein farbenfrohes Etui-Kleid mit Dekolleté, farblich passend zur Kunst des 19-Jährigen. Papa und Mama klatschten eifrig, als der Galerist Dirk Geuer den „Hype-Künstler“ vorstellte und von seiner Leidenschaft schwärmte. Der Junior aber nahm den Medienrummel gelassen hin. Jeweils zehn Minuten gewährte er einem Journalisten, dann kam der nächste an die Reihe. Der Jung-Maler war nämlich ausgewählt worden, die nachhaltigen Entwicklungsziele der Weltgemeinschaft und der Vereinten Nationen künstlerisch zu interpretieren. 17 globale Ziele will er in 17 Bilder fassen, die bis 2030 um die ganze Welt touren.

Seinen Weg zur Karriere erzählt Leon Löwentraut, der wirklich so heißt, nur zu gern. Mit sieben Jahren habe er angefangen zu malen, weil die Mutter gemalt hat. Je älter er wurde, desto schneller habe er sich auch Werke anderer Künstler angeeignet. Wie eine Gebetsmühle rasselt er seine Antworten herunter, um bei Picasso zu landen, seinem Helden: „Picasso war eine sensationelle Person. Er hatte viel Charme. Er hat für mich eine absolute Vorbildfunktion. Er ist einer der größten Künstler der Welt.“ Als Nachwuchstalent gibt er offen zu: „Natürlich möchte ich auch so ein Großer werden, allerdings mit einem eigenen Stil.“

Er sei mächtig stolz, dass die Kommission der Unesco ihn, den Newcomer, für ihre Ziele zur Armut, zu den Menschenrechten, zur Gleichstellung der Geschlechter vorgeschlagen habe, wo es ja so viele berühmte Künstler auf der Welt gibt.

Auch die Eltern werfen sich in die Brust. Mutter Heike erklärt, sie haben 32 Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet und jetzt ihren Beruf aufgegeben, um dem Sohn zu helfen. Und der Papa, Jörg Löwentraut, hat seinen Job als Einzelhandelskaufmann heruntergeschraubt. „Wir unterstützen Leon, wo es nur geht, denn es besteht die Gefahr, dass man ihn aussaugt“, sagt er.

Die Bodenhaftung bei Papa und Mama ist gewollt. Gemalt wird im Haus der Eltern im Keller, in der Regel am späten Nachmittag, am Abend oder gar in der Nacht. Vor einem Jahr schloss er die Schule mit der mittleren Reife ab. Und nun malt er Nonstopp. „Kunst ist eine Leidenschaft. Das ist ein Zustand, in dem man starke Gefühle empfindet“, erklärt er. Und wenn die Emotionen kommen und gehen? Davon will er nichts wissen. „Wenn es nicht riskant ist im Leben, macht es doch gar keinen Spaß“, erklärt er. Er könne nicht ruhig an ein Bild herangehen, da würde er ja beim Malen einschlafen.

Seine Kunst bezeichnet er als „expressiv“ und freut sich riesig, wenn der Betrachter etwas anderes in den Bildern liest, als er sich ausgedacht hat. „Es geht doch um die Unabhängigkeit in der Kunst“, sagt er. Deshalb male er auch nachts, wenn es draußen dunkel ist und die Welt schläft.

Sein Galerist Geuer schwört auf sein Talent: „Die Menschen kommen in den Ausstellungsraum, stehen vor einem Bild und spüren diese unglaubliche Kraft. Seine Bilder sind nicht kopflastig, sondern spontan. Das lieben die Menschen. Das gibt ihnen Freiräume zur eigenen Interpretation.“

Das erste der 17 Unesco-Motive hängt an der Wand. Es ist unverkäuflich. Es zeigt, wohin es mit der Serie geht. Zwischen einem Gewusel von farbigen Strichen tauchen zwei Schüler hinter einer Schulbank auf. Ein paar englische Vokabeln kurven auf der Leinwand herum. Schlagworte vom Engagement, vom Mut, vom Ja-Sagen und vom Enthusiasmus. Alles Ziele, die sich der junge Mann von der Bildungsagenda der Unesco zu eigen gemacht hat. Es gibt auch Zahlen und Zeichen für die verschiedenen Rechenarten. Cool sagt er: „Ziel der Aktion soll es ja sein, dass jedermann eine gute Schulbildung erhält. Das möchte ich vermitteln.“

Die übrigen Bilder gehören zur Serie „Singles und Paare“. Unterschiedliche Frauen und Models seien zu ihm ins Atelier gekommen. „Frauen habe ich als Thema im Kopf. Das beeinflusst mich im Leben und beschäftigt mich. Von Frauen bin ich abhängig, was meine Launen angeht. Das möchte ich in diesen Bildern herauslassen“, sagt er.

Dass es nicht nur um die Liebe geht, sondern auch ums Geld, beweist der Galerist. „Die Leute kommen herein und wollen sofort eine Arbeit kaufen. Die 50er-Auflage ist von Hand übermalt, und alle Blätter sind schon vorbestellt (Preis jeweils 2850 Euro). Aber auch die Gemälde sind gefragt.“ Wer ein Unikat haben will, muss 16 000 bis 40 000 Euro hinblättern. Im nächsten Jahr stellt er im Nationalmuseum von Dakar aus.

Und wie geht es weiter? Der Galerist gibt die Antwort: „Ich vermittle ihm gute Menschen, damit er die Techniken lernt. Er ist unfassbar wissbegierig. Wenn er ein paar Tage nicht gemalt hat, brodelt es in ihm.“ Und die Kunstakademie? In Düsseldorf habe man ihn abgelehnt. Geuer findet das typisch: „In Deutschland muss ja jeder Künstler seine Akademie-Titel haben, wenn er respektiert werden will. Basquiat hat nie eine Akademie besucht, heute zählen seine Werke zu den teuersten der Welt. Ich gehe jetzt mit Leon einen Schritt zusammen, um aus dem Hype eine Konstante werden zu lassen.“