Verleihung des Käutner-Preis Margarethe von Trotta: „Ich mache Filme, um zu verstehen“
Margarethe von Trotta wird am Freitag mit dem Käutner-Preis ausgezeichnet. Sich selber sieht die international tätige Regisseurin als eine „wilde Frau“.
Düsseldorf. „Sind Sie Feministin? Ich glaube nicht.“ Margarethe von Trotta übergeht diese Bemerkung und streicht sich lächelnd durchs Haar. Sie bedankt sich höflich beim Direktor des Filmmuseums. Bernd Desinger zählt zur Jury, die die international renommierte Regisseurin zur diesjährigen Trägerin des Helmut-Käutner-Preises gekürt hat.
Desinger erinnert an ihren ersten Film, den sie 1975 mit ihrem damaligen Mann Volker Schlöndorff geschrieben und gedreht hat: „Die verlorene Ehre der Katharina Blum.“ 17 weitere folgten — bislang. Nach Biografien wie „Rosa Luxemburg“, „Rosenstraße“ oder „Hannah Arendt“ erzählt von Trotta von ihren aktuellen Plänen: Margarete Mitscherlich, deren Geschichte würde sie gerne filmisch umsetzen. „Als Psychoanalytikerin war sie eine Pionierin“, erklärt sie. „Und eine wilde Frau, bei der nicht alles immer gerade gelaufen ist.“ Ist sie selbst auch eine wilde Frau? Von Trotta nickt und lächelt.
Desingers Bemerkung vom Anfang lässt sie nicht auf sich sitzen: „Ich wäre damals zur Feministin geworden, wenn ich es nicht vorher schon gewesen wäre.“ Sie erinnert sich, dass auf den Plakaten für ihren ersten Film unter Regie nur der Name Schlöndorff auftauchte. Für sie war kein Platz. Eine Kampfparole sei die Bezeichnung Feministin damals gewesen, das sei Jahre her. „Aber wie sieht es mit Ihrer Quote aus? Bei 15 Käutner-Preisen bin ich erst die vierte Frau.“
Wer die 1942 in Berlin geborene von Trotta erlebt, lernt eine zugewandte und freundliche Persönlichkeit kennen. Im Gespräch erinnert sie sich an ihre Kindheit und Jugend in Düsseldorf, wo sie in Kaiserswerth das Gymnasium besuchte. Sie erzählt von Armut. „Das Leben im Adenauer-Deutschland war eine bleierne Zeit.“ Von Trotta zitiert mit diesen Worten ihren gleichnamigen Film von 1981. Und dann zog sie nach Paris als Au Pair: „Das war Freiheit. Und die Stadt der freien Liebe.“
Dort erwachte ihre Leidenschaft für den Film mit Ingmar Bergmans „Das siebente Siegel“, den sie in einem Programmkino im Quartier Latin sah. „Und genau dort lief vor wenigen Wochen genau dieser Film wieder.“ Das gebe es nur in Paris, schwärmt sie. Sie wurde Schauspielerin. Aber eigentlich nur, um in die Branche zu kommen. Als Frau sei das damals der einzige Weg gewesen. Danach habe sie Ausdauer gebraucht, viel Ausdauer.
Paris ist die Stadt, in der sie heute lebt. In der sie mit Alice Schwarzer in ihrer Wohnung den Ausgang der französischen Präsidentschaftswahl verfolgt habe und sehr erleichtert sei, dass der „Trump-Effekt“ sich nicht fortgesetzt habe.
Wäre dieser neue Nationalismus nicht ein geeigneter Stoff für sie? „Nein, vor einem Film über die Jetzt-Zeit würde ich mich fürchten.“ Sie wolle nicht urteilen, und dafür brauche man Vorlauf. Man wisse ja noch nicht, wie das politisch weitergehe jetzt. „Ich mache Filme, um zu verstehen.“ Dafür suche sie sich Menschen, die nicht mehr leben. Sie interessiere sich nicht dafür, deren Geschichte von Anfang bis Ende zu erzählen, sondern sie so zu präsentieren, dass ein wichtiger Moment alles bündele. Wie in „Hannah Arendt“ die Zeit des Eichmann-Prozesses, über den die Philosophin berichtete.
Am Freitag bekommt von Trotta den mit 10 000 Euro dotierten Helmut-Käutner-Preis. Die Laudatio hält, und das freue sie sehr, erklärt sie mit herzlicher Verbundenheit, ihr Ex-Ehemann Volker Schlöndorff.