„Meßmers Momente“ von Martin Walser: Ein betörendes Alterswerk

Martin Walser reflektiert in klingenden Sätzen über sich, das Leben und das Schreiben.

Nußdorf/Bodensee. Weil sie womöglich morgens nicht mehr wissen, was sie am Vortag geschrieben haben, beschränken sich viele Autoren im Alter auf kurze Texte. Martin Walser zählt nicht zu diesen Autoren.

Er feiert am 24. März seinen 86. Geburtstag und hat in den letzten Jahren dicke Romane geschrieben, die mitunter ein wenig schrullig anmuteten („Muttersohn“). Jetzt legt er mit „Meßmers Momente“ ein dünnes Bändlein nach und setzt damit seine Reihe („Meßmers Gedanken“, 1985 und „Meßmers Reisen“, 2003) fort.

Wieder hat er sich das fiktive Alter Ego gewählt, um ganz persönliche Empfindungen auszusprechen. Es sind kurze Sentenzen, oft nur aus einem Satz bestehend, in denen er über sich, das Leben und das Schreiben sinniert. „Ich muss mich auf dem Papier festhalten, weil ich nirgends sonst möglich bin.“ Eine dunkle Welt tut sich da auf. Alter und Angst vor dem Tod setzen dem Autor zu. „Ich möchte so müde sein dürfen, wie ich bin.“ Am Ende des Lebens zieht hier einer Bilanz, der versucht hat, sich das Dasein schönzuschreiben.

„Die Käfigstäbe lassen zu viel Welt herein“, klagt er in Anlehnung an Rilkes Gedicht „Der Panther“. Aus der tristen Existenz gibt es nur einen Ausweg. „Ich habe mein Leben verbringen wollen unterm Schutz sorgsam gepflegter Illusionen. Die Wirklichkeit hatte nur beschränkten Zutritt. Lüge nennt man das. Ich habe das immer als die Ermöglichung empfunden.“

Die klingenden Sätze gleichen eher Versen als Aphorismen. Da ist jedes Wort fein gesetzt, jede Pause exakt komponiert. Luftig, leicht. Zusammen gelesen ergeben die Notate ein Ganzes, ein genaues Psychogramm des in die Jahre gekommenen Literaten. Nichts mutet altklug oder geheuchelt an. Ehrlich und mit viel Selbstironie hält der bekennende Narziss Rückschau.

Martin Walser hat mit „Meßmers Momente“ ein betörendes Alterswerk vorgelegt. Ein sprachmächtiges Buch, das Motive aus älteren Texten aufnimmt und fortschreibt. Was am Ende bleibt, ist die Hoffnung. Und die Literatur. „Viele Bäume wachsen in meinem Kopf, die in der Welt nicht mehr wachsen. Ausgestorbenes ist in mir zu Haus. Ich bin ein blühendes Grab.“