Alles fließt: The Notwist
Berlin (dpa) - Wer The Notwist in den zurückliegenden Jahren live erlebt hat, sieht möglicherweise folgendes Bild vor dem inneren Auge: hochkonzentrierte, über Gitarren, Synthies und Vibrafon gebeugte Musiker.
Von intensiver Arbeit zeugt auch der Text des Labels zum neuen Album „Close To The Glass“: Immer wieder, so heißt es dort, hätten die fünf Musiker aus Weilheim in Oberbayern ihre nun erschienenen Songs überarbeitet, geremixt, neu aufgenommen und weiter verfeinert. Das Ergebnis: mitreißende Konzerte - und ein fabelhaftes Album.
Erstaunlicherweise klingt die Band niemals nach der Mühe, die in ihrer fein austarierten Mischung aus klassischem Indierock und tanzbarer Elektronik steckt. Nicht auf der Bühne, wo The Notwist die Konzentration in Rausch verwandeln, und auch nicht auf CD oder Vinyl. Auf „Close To The Glass“, Album Nummer acht im lauf von gut 20 Jahren, hat zwar jedes Zischeln und Fiepen seinen Platz, erfüllt jede rückwärts abgespielte Gitarrenspur ihre Funktion. Und doch erscheinen die zwölf Songs wie der Fluss, der sich ganz von selbst seinen Weg bahnt.
Dieser beginnt mit dem hektischen Pluckern von „Signals“ und findet im dahingetupften „They Follow Me“ tatsächlich zu einer Art Ziel. Unterwegs lassen The Notwist Jazz-Bläser mit Techno kollidieren („Run Run Run“) und schütteln einen veritablen Hit für die Indiedisco aus dem Ärmel („Kong“). Gleichlaufschwankender Noiserock („7-Hour-Drive“) steht dem präzisen Motorik-Beat von „Lineri“ gegenüber, einem fast neun Minuten langen Instrumentalstück.
Und dann ist da noch „Into Another Tune“. Mit diesem Song gelingt es The Notwist, das grandiose Stück „The Rip“ von Portishead nahtlos fortzusetzen. Zudem ist „Into Another Tune“ das perfekte Beispiel für eine Kunst, die die Band beherrscht wie nur sehr wenige andere: zugleich melancholisch und euphorisch zu klingen.
In der Vergangenheit waren The Notwist äußerst erfolgreich. Mit dem Album „Neon Golden“ platzierten sie sich 2002 sogar in den deutschen Top Ten. Ob sie ein solches Aufmerksamkeitslevel auch mit „Close To The Glass“ erreichen können, ihrem ersten Album - Soundtracks und Seitenprojekte außen vor gelassen - nach immerhin sechs Jahren, ist längst nicht garantiert. Sicher ist dagegen: Solche Überlegungen spielen für die Band keine Rolle. Was ausdrücklich zu begrüßen ist.