Bayreuther Publikum feiert „Walküre“
Bayreuth (dpa) - Auch an Tag drei kommen die Bayreuther Festspiele 2016 ohne Buh-Konzert aus. Richard Wagners „Walküre“ in der umstrittenen Interpretation von Frank Castorf kommt in ihrem vierten Jahr beim Publikum gut an.
Das liegt allerdings wohl weniger an dem Regisseur und seinem Konzept als vielmehr am Sängerensemble und dem Dirigenten Marek Janowski. Castorf wird sich voraussichtlich erst nach dem letzten Teil des „Ring der Nibelungen“, der „Götterdämmerung“, am Sonntag dem Publikum zeigen. Möglich, dass die Buhs dann kommen.
In der Publikumsgunst ganz vorne liegen am Mittwochabend neben Janowksi, dem Nachfolger von Bayreuths Held Kirill Petrenko am Pult, Catherine Foster als Brünnhilde und John Lundgren als bedrohlich donnernder Wotan. Kaum zu glauben, dass Foster in ihrem ersten Jahr als Castorfs Brünnhilde 2013 noch von Teilen des Publikums ausgebuht wurde. Als Bayreuther Chef-Walküre wird sie immer besser und könnte in diesem Jahr zum Gesicht des „Rings“ werden - schließlich ist sie als eine der wenigen seit Jahr eins der umstrittenen Produktion dabei.
Georg Zeppenfeld als Unsympath Hunding mausert sich zu einem großen Publikumsliebling in Bayreuth. Schon für seine Darstellung des Gurnemanz bei der Eröffnungs-Premiere des „Parsifal“ am Montag wurde er gefeiert.
Bescheideneren Applaus gibt es für Christopher Ventris als Siegmund und Heidi Melton als Sieglinde. Vielleicht liegt das daran, dass die beiden als liebendes Zwillingspaar nicht so richtig harmonieren. Während Ventris beispielsweise relativ schnell durch die berühmte Liebesarie „Winterstürme wichen dem Wonnemond“ huscht, gibt Melton sich hemmungsloser Theatralik hin - eine Diskrepanz, die bis zum Tod Siegmunds nicht aufgelöst wird. Melton wirkt mit ihrer zwar durchaus kraftvollen Darstellung neben der mindestens ebenso kraftvollen Foster zudem seltsam unmodern.
Auch im vierten Jahr von Castorfs Bayreuther „Ring des Nibelungen“-Inszenierung fällt seine „Walküre“ aus dem Rahmen. Kaum zu glauben, dass der Regisseur, der das grellbunte Tankstellen-„Rheingold“ und den Kalaschnikow-„Siegfried“ auf dem Gewissen hat, auch für diese Produktion verantwortlich ist.
Der zweite Teil von Richard Wagners Vierteiler ist in Castorfs Version, die in einer düsteren Ölförderanlage in Aserbaidschan spielt, erstaunlich konventionell und einfallslos geraten - daran ändern auch zwei lebende Truthähne im Käfig und die Übertragung des Bühnengeschehens auf Leinwände im Stil von Stummfilmen aus den 20er Jahren nicht viel. Eine Ausnahme ist allerdings der wirklich gut durchchoreografierte Walküren-Ritt, bei dem die Männer auf der Bühne schon durch den bloßen Anblick der geballten Weiblichkeit niedergestreckt werden.
Castorf gibt den Sängern sehr viel Platz, die Geschichte von Geschwisterliebe, Betrug, Verrat und verstoßener Tochter zu erzählen, was wohl der Grund dafür ist, dass das Bayreuther Publikum an seiner „Walküre“ von Anfang an am wenigsten Anstoß nahm. Am Donnerstag machen die Festspiele eine Pause - am Freitag geht es mit dem „Siegfried“ weiter.