Beatsteaks: Immer ehrlich und drauflos

Die Beatsteaks machen Angst und Unbedarftheit zum Titel: „Muffensausen“ heißt die Mischung aus Konzertfilm und Live-Album.

Düsseldorf. Der Satz, der diese Band erklärt, fällt irgendwann in der Mitte der 40-minütigen Dokumentation. Unscheinbar. Aus heiterem Himmel — und damit genau so, wie diese Band einst über die Musiklandschaft hereinbrach. „Du musst immer so spielen, als ob die Leute dich zum ersten Mal sehen“, sagt Bassist Torsten Scholz.

Wer die Beatsteaks nur ein einziges Mal bei einem Konzert erlebt hat, der weiß, dass sie genau das tun. Und genau damit wurden sie zur Konsensband der Republik. Zeitgenossen, die Die Toten Hosen zu groß oder zu poppig oder zu abgehoben finden, die mit dem Humor der Ärzte nichts anfangen können, die die aufgeblasen-aggressive Monumentalität Rammsteins verabscheuen, mögen die „Buletten“ aus der Hauptstadt.

Die Band aus dilettantischen Jungs vom Kiez, die als Musiker zwar zu Profis mit Erfolgsplatten wie „Smack Smash“ (2004) oder „Limbo Messiah“ (2007) wurden, dabei aber ihren Wurzeln treu geblieben sind. Die Band, deren Konzerte auf Schweiß und Geschwindigkeit und unwiderstehlichen Melodien basieren.

Weil die Beatsteaks allen noch einmal zeigen wollen, wer in den vergangenen Jahren die Festivals und Konzerthallen auf links gedreht und allabendlich für Pogotanz-Eskalation gesorgt hat, dreschen sie jetzt mit der üppigen Musik- und Filmbox „Muffensausen“ ordentlich ein auf Beliebigkeit und Mittelmaß, auf Muckertum und Star-Getue.

Muffensausen: Das passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Muffensausen hat der, der Angst hat. Und Beatsteaks-Gitarrist Peter Baumann gab vor einiger Zeit im Interview mit dieser Zeitung zu: „Wir lassen jeden Abend vor den Leuten die Hosen runter. Da muss man doch Angst haben.“ Da ist sie — diese Ehrlichkeit. Dieses Drauflosplappern mit Berliner Schnauze, das sich in den Songs des 1995 gegründeten Quintetts in Form von Rase-Riffs und zuletzt gar zwei wie irre trommelnden Schlagzeugern fortsetzt.

Die Großen der Szene nennen ihre Konzertaufnahmen „Live at . . .“, dann folgen Namen wie Fillmore East, Wembley, Madison Square Garden. Sie wählen das Material im Hinblick auf ein maximales Statement, wenn sie eine „Best of“-Platte, eine Band-Doku oder einen Konzertmitschnitt veröffentlichen. Die Beatsteaks aber gehen hin, machen ihre Angst und Unbedarftheit zum Titel — und gewinnen.

Allein der Konzertfilm der Box lässt von der Kamera auf Schritt und Tritt verfolgte Alphamännchen-Spielchen wie etwa in Metallicas „Some kind of monster“ beinahe lächerlich erscheinen. Er degradiert die Rolling Stones in „Shine a light“ (immerhin von Meister Martin Scorsese gedreht) zu Stars, deren gefühlte Promi-Maskerade über die Jahrzehnte hinweg zur Fettschicht anschwoll. Die Beatsteaks singen auf dem Weg zur Riesen-Festivalbühne „All you need is love“.

Sie bespritzen die Fans im kleinen schweizerischen Alpen-Club mit Schweißperlen. Sie knutschen die Damen vom Sicherheitsdienst und sich selbst gegenseitig ab. Sie plaudern über eigene Schwächen, etwa wenn Bassist Scholz im Bonus-Filmchen „Fresse halten, Bass spielen“ zugibt, dass er sein Instrument erst zwei Wochen vor dem Auftritt im Vorprogramm der Toten Hosen lernte.

Und dann spricht da in jeder Sekunde, die die Beatsteaks auf der Bühne stehen, aus den Augen von Sänger Arnim Teutoburg-Weiß diese Mischung aus Ungläubigkeit, Dank und Glücksbesoffenheit: Wie haben wir es nur bis hierher geschafft?

All das macht „Muffensausen“ — die Box aus Konzertfilm, Live-Album und zig Bonusvideos — zum Zeitdokument, das die Besonderheit dieser Band inmitten einer flachen Event-Kultur ausbreitet. Da sausen einem eher die Ohren, als dass die Muffe geht.