Bill Haley starb vor 30 Jahren
New York (dpa) - Bevor Elvis kam, war er der King: Bill Haley. Als Erfinder des Rock'n'Roll elektrisierte er in den 50er Jahren die Jugend der Adenauer-Zeit. Die Erwachsenen dagegen verdammten ihn als „Radaumusiker“.
So sehen Revoluzzer normalerweise nicht aus: Schmalzlocke in die Stirn gekämmt, biedere Sakkos und Wohlstandsbauch. Aber Bill Haleys irrsinnig schnelle Musik von „Rock Around The Clock“ und „See You Later Alligator“ versetzte die ganze Generation der Nachkriegszeit in Ekstase. Am Mittwoch (9. Februar) vor 30 Jahren starb Haley im Alter von 55 Jahren überraschend an Herzversagen.
Wenn man Bill Haley heute mit Elvis vergleicht, sieht er eher uncool aus. Aber in Zeiten des Wirtschaftswunders waren Bill Haley & His Comets der Magnet für jugendliche Fans, die im Deutschland von Konrad Adenauer noch „Halbstarke“ hießen. Bei der Ohren betäubenden neuen Musik-Mixtur, die anfangs in den USA nur der „Haley-Sound“ genannt wurde, konnten sie ihren Aggressionen freien Lauf lassen.
Was sie auch mit Wonne taten: Auf der Deutschland-Tournee 1957 kam es zu Tumulten und blutigen Saalschlachten mit der Polizei in Berlin und Hamburg. 50 000 Mark Schaden allein im Berliner Sportpalast hätten fast den Ruin des Veranstalters bedeutet. Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ hetzte damals von jenseits des Brandenburger Tores: Der Auftritt des „Rock'n'Roll-Gangsters Haley“ sei eine „Orgie der amerikanischen Unkultur“ gewesen. Der „Rheinische Merkur“ sprach entrüstet von einem „Komet der Triebentfesselung“.
Dabei begann alles mit simpler Country-Musik für William John Clifton Haley Jr., der am 6. Juli 1925 in Highland Park (US-Bundesstaat Michigan) geboren wurde. Sein Vater kam aus Kentucky und begeisterte ihn für Hillbilly und Western Swing. Der kleine Bill stand häufig vor dem Spiegel und imitierte mit einer Pappgitarre die Musikgrößen seiner Zeit. Seine Eltern schenkten ihm daraufhin ein echtes Instrument und ließen ihn Unterricht nehmen. Mit 17 Jahren gründete er seine erste Band.
Haley gelang als erstem die echte Synthese zwischen schwarzer und weißer Musik: Er brachte den Rhythm and Blues und den Boogie Woogie der Schwarzen zusammen mit der Western-Musik der Weißen. „Ich dachte mir, wenn ich eine Dixieland-Melodie nehme und den ersten und dritten Rhythmus-Schlag weglasse, dafür den zweiten und vierten betone, und einen Beat dazugebe, nach dem die Zuhörer klatschen und tanzen können - das wäre dann genau was sie wollen“, erzählte Haley in Interviews.
Als „Rock Around The Clock“ im Mai 1954 auf den Markt kam, gab es zunächst wenig Resonanz. Den Durchbruch brachte der amerikanische Kult-Jugendfilm „Die Saat der Gewalt“. Zu dem mitreißenden Rhythmus von „We're gonna rock, rock, rock, 'til broad daylight“ zertrümmerten dort Schauspieler wie Sidney Poitier und Glenn Ford die Schulbänke. Der Song hielt sich wochenlang auf Platz eins, blieb ein halbes Jahr unter den Top 50 und wurde zur „Marseillaise der Teenager-Revolution“.
Bis 1958 veröffentlichten Bill Haley & His Comets insgesamt 15 Singles, die sich alle unter den amerikanischen Top 50 platzierten und bis heute zu den Klassikern des Rock'n'Roll zählen: „Mambo Rock“ (1955), „Razzle Dazzle“ (1955), „See You Later Alligator“ (1956), „The Saints Rock'n'Roll“ (1956) und „Rockin' Through The Rye“ (1956) waren seine größten kommerziellen Erfolge. Insgesamt verkaufte er rund 60 Millionen Platten.
Als Elvis Presley die Bühne betrat, ging es bergab mit Bill Haley. Ende der 60er tourte er noch einmal erfolgreich durch Europa. Nachdem Freund und Saxofonist Rudy Pompilli 1976 an einer Lungenentzündung gestorben war, wollte Haley nicht mehr live auftreten. Am 9. Februar 1981 fand ihn eines seiner Kinder tot im Bett.