Bob Geldofs große Helfer-Show
London (dpa) - Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Wenn die Musik im Radio nicht ohne Schlittenglocken auszukommen scheint und unzählige Lichter die verstopften Einkaufsstraßen zu Kitschmeilen machen, dann entdecken viele ihr Herz für die Armen dieser Welt und wollen ein bisschen abgeben vom Wohlstand.
Es ist die Zeit der großen Charity-Galas. Und es ist, inzwischen zum vierten Mal, Zeit für das Musikspektakel Band Aid, das mit dem Lied „Do They Know It's Christmas?“ der Welt einen Ohrwurm beschert hat und für Krisenregionen viele Millionen Euro brachte. Ab Montag gibt es die neue Version zu hören - und zu kaufen.
Die Aufnahmen am Samstag im Londoner Nobel-Stadtteil Notting Hill begannen mit einem Schaulaufen von mehr oder weniger ausgeschlafenen Stars, das dem roten Teppich etwa bei den Brit Awards in nichts nachstand: Heidi Klums Ex Seal (51) oder die Singer-Songwriterin Ellie Goulding (27), der Soul-R&B-Star Emeli Sandé (27) und der Sänger Ed Sheeran (24) oder Queen-Schlagzeuger Roger Taylor (65) wollten alle für den guten Zweck - nämlich gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika - musizieren. Das Flugzeug von U2-Star Bono (54) kam verspätet wegen Nebels.
Der Text des Klassikers wurde dem aktuellen Zweck etwas angepasst: Unter anderem heißt es jetzt „Kein Friede und keine Freude zu Weihnachten in Westafrika. Die einzige Hoffnung, die sie haben werden, ist, am Leben zu sein. Wo Trösten Angst bedeutet, wo Berühren sich fürchten heißt - wie können sie überhaupt wissen, dass Weihnachtszeit ist?“
In Deutschland wollen am Montag übrigens in Berlin mehr als zwei Dutzend Stars das Lied erstmals auf Deutsch einspielen, darunter die Toten Hosen, Udo Lindenberg, Max Raabe, Andreas Bourani, Jan Josef Liefers, Jan Delay, Max Herre und Peter Maffay.
In London brachten derweil die Jungs von One Direction, die am Vorabend noch für eine BBC-Show zugunsten von Kindern aufgetreten waren (Spenden: mehr als 40 Millionen Euro), in der Herbstkälte das ein oder andere Mädchen zum Weinen - einfach, weil sie kamen. „Es ist ein Privileg, dass wir hier sind“, sagte Niall Horan (21). Wie viele der anderen Musiker war er noch gar nicht geboren, als Bob Geldof (63) und Midge Ure (61) vor 30 Jahren erstmals Musik-Stars zusammenriefen.
Damals waren es die Millionen Hungernden in Äthiopien, deren Leid die Künstler nicht untätig mitansehen wollten. Mit ins Studio gingen 1984 unter anderem Phil Collins, Bono und George Michael. Die Single war weltweit erfolgreich. An einer ersten Neuaufnahme (Band Aid II) im Jahr 1989 beteiligten sich etwa Kylie Minogue und Cliff Richard. Im Jahr 2004 taten sich für „Band Aid 20“ (20 Jahre nach dem ersten Mal) unter anderen Chris Martin von Coldplay, Joss Stone und die Sugarbabes zusammen, von Los Angeles aus sang Robbie Williams mit.
Zusammen mit den Live-Aid-Konzerten sammelten die Stars viele Millionen für afrikanische Länder. Schon 1984 verzichtete der britische Staat auf die Steuereinnahmen. Das werde auch 2014 wieder so sein, verkündete der Finanzminister am Samstag.
Das Geld, daran besteht kein Zweifel, können die Hilfsorganisationen gut brauchen. Trotzdem ist Band Aid umstritten.
„Es gibt ein paternalistisches Denken über Afrika, verstärkt von der originalen - und der zweiten und dritten - Band-Aid-Single, in der der Kontinent "gerettet" werden muss, und üblicherweise vor sich selbst“, kritisierte die Journalistin mit Schwerpunkt Antirassismus, Bim Adewunmi, kürzlich im „Guardian“.
Die aus dem Senegal stammende Marieme Jamme, Gründerin der Ideenplattform „Africa Gathering“, sagte der BBC, Afrika könne und solle diese Krise selbst und mit Hilfe der Vereinten Nationen lösen.
Und warum eigentlich nicht direkt ans Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen, Unicef oder die vielen anderen, die sich in Westafrika engagieren, sondern stattdessen ein Lied kaufen? Pragmatiker halten dagegen, so gäben viele ein paar Euro, die sonst gar nichts gespendet hätten.
Auf musikalischer Ebene ist Bob Geldof mit Kritik an „Do They Know It's Christmas?“ jedenfalls nicht beizukommen. Dass der Song nicht übermäßig gut sei, sagt er nämlich selbst. Auf das Lied und die Künstler komme es doch gar nicht an, hat er dazu mehrmals schon gesagt. „Es ist wirklich egal, wenn es eine lausige Aufnahme wird - was Ihr machen müsst, ist, das Ding zu kaufen.“