Britpop: Im temporeichen Fahrwasser
Ein Schwede und zwei Briten mischen zurzeit als Hoosiers die englische Musikszene auf. Klingt verdammt gut – aber leider nur beim ersten Hördurchgang.
Rastlos, atemlos, nervös - so hetzen Irwin Sparkes, Martin Skarendahl und Alphonso Sharland durch die ersten zwei Songs. Sparkes’ Stimme driftet ins Falsett ab. Skarendahls Bass wummert im Stakkato. Sharlands Schlagzeug hält die Band im temporeichen Fahrwasser. Sie singen irgendwas von einem "Ray", über den sie sich Sorgen machen. Und malen am Montagmorgen "Worst Case Scenarios" an die Wand.
Sie haben es eilig, die Hoosiers aus England, verdammt eilig sogar, diese Musikwelt mit ihrem Indiepop zu erobern. Und dazu ist ihnen nahezu jedes Mittel recht: Mit einer schier unverschämten Selbstverständlichkeit bedienen sie sich auf ihrem Debütalbum "The Trick To Life" bei nahezu allen großen Idolen, die jemals für Eingängigkeit und verzückende Melodien gestanden haben: Man hört die Leichtigkeit Belle And Sebastians heraus und begegnet in stilleren Momenten der Melancholie, die man an Travis schon immer so schätzte. Man erinnert sich an die romantischen Songs von Keane - und hört gar immer und immer wieder die Beatles des "Weißen Albums" oder der "Abbey Road"-Zeit heraus.
Der Gedanke nach dem ersten Hördurchgang ist: "Verdammt schräg. Aber auch verdammt gut." Die Musik der Hoosiers ist mit all ihren "Aaahs" und "Oooohs" und ihren Händeklatschern und knarzenden Geräuschen im Hintergrund wie ein Comic: Schön bunt, rasant, lustig und witzig und fluffig. Und es ist ja so: Comics hat jeder irgendwann mal gelesen. Jeder hat seinen persönlichen Lieblingscomic. Und wenn man den im fortschreitenden Alter zufällig mal wieder in die Hände bekommt, bleibt man garantiert drin hängen. So wie in der Platte dieser Truppe.
Es geht so weit, dass die Bandmitglieder selbst mit allem, wofür sie stehen und wie sie sich geben, der Skurrilität entsprungen zu sein scheinen. Benannt sind die Hoosiers nach dem amerikanischen Spitznamen der Bewohner des US-Bundesstaates Indiana. Einer von ihnen (Sharland) trägt in bester 80er-Jahre-Manier Schnäuzer und stilsicher "Vokuhila". Sänger Irwin sieht aus wie Blödeldarsteller Ben Stiller. Sie nennen ihre Musik "Odd-Pop" (was soviel heißt wie "merkwürdiger Pop"). Die aktuelle Single "Mr.A" ist Titelsong des Computerspiels "Fifa 08".
Und auch die Entstehungsgeschichte der Hoosiers spricht Bände: Der Schwede Skarendahl erlernt erst den Beruf des Feuerwehrmannes, kommt als solcher über verschlungene Umwege (Oslo, Paris) nach London, schult dort flugs auf Tontechniker um und lernt schließlich seine beiden Musikerkollegen kennen. Die haben sich in den Jahren zuvor gemeinsam und wenig erfolgreich als Sportstudenten an der Uni in Indianapolis versucht (und waren somit zumindest eine zeitlang waschechte "Hoosiers"). In den USA waren sie nach eigener Aussage, um dort den Hauch jenes abenteuerlichen Lebens zu atmen, über das sie eigentlich schon direkt nach der Schule Songs schreiben wollten. Der entsprechende Tipp, doch erst einmal zu leben, um dann Songs über das Leben schreiben zu können, stammte angeblich von Irwins Chemielehrer. Der hieß Grant Serpell und schwang in den 70er Jahren die Trommelstöcke für die kurzzeitig erfolgreiche Popband "Sailor" - der musste es also wirklich wissen.