Dirigent Carlos Kleiber: Leben einer Legende
Das Schicksal eines Jahrhundert-Dirigenten. Die Biografie des Karlsruher Kulturjournalisten Alexander Werner.
Düsseldorf. Über das Privatleben von Carlos Kleiber (1930-2004) drang selten etwas an die Öffentlichkeit, am wenigsten über die letzten Jahre, die der Jahrhundert-Dirigent zurückgezogen in seinem Haus im Münchner Villenviertel Grünwald verbrachte. Nun erscheint die erste umfangreiche Biografie, verfasst von dem Karlsruher Kulturjournalisten Alexander Werner. Zunächst schildert Werner ausführlich Kindheit und Jugend von Carlos als Sohn des im frühen 20. Jahrhundert weltbekannten Dirigenten Erich Kleiber. Dann folgt der zunächst zähe Prozess der Karriere Kleibers, zu der alsbald triumphale Erfolge wie auch Rückschläge und scharfe Dissonanzen gehören werden.
Die Stärke der Biografie liegt in ihrer enormen Materialfülle und einem großen Detailreichtum. Allein dem Vater Erich Kleiber und dem Lebensstil der Familie widmet der Autor viele Seiten. Zentral dokumentiert ist der Konflikt mit dem nationalsozialistischen Regime und das von politischer Seite torpedierte Projekt, die Oper "Lulu" des jüdischen Komponisten Alban Berg aufzuführen. Schließlich sieht die Familie als einzige Möglichkeit nur noch die Auswanderung nach Argentinien. Carlos Kleiber wächst in großbürgerlichen, kosmopolitisch geprägten Verhältnissen auf, reist mit seinen Eltern schon in früher Kindheit nach New York und lernt die größten Musikerpersönlichkeiten der Zeit wie etwa Richard Strauss kennen.
Alexander Werner erweist sich als ungemein fleißiger Chronist, der keine Mühe scheut, Zeitzeugen zu befragen. Sänger, Dirigenten, Orchestermusiker berichten von Erlebnissen mit Carlos Kleiber. Jede Station, ob Wien, die Düsseldorfer Rheinoper, München oder New York nimmt der Autor als Anlass, jeden Schritt Kleibers zu dokumentieren. Das Ergebnis ist ein fast 600 Seiten starker Wälzer mit umfangreichem Fototeil und Unmengen von Zitaten.
Das Buch dürfte mit seiner Informationsflut zwar eine Fundgrube für alle sein, die möglichst viele Einzelheiten über Kleiber erfahren wollen, doch ein großes Lesevergnügen bereitet die Lektüre aufgrund sprachlicher Schwächen nur selten. Alexander Werner findet zu keinem stringenten Erzählfluss. Er lässt Fragen offen, um sie einige Abschnitte weiter dann doch zu beantworten. Auch die Neigung zu pathetischen Floskeln irritiert zuweilen.
Umso sehenswerter ist der Bilderteil. Dort befinden sich unter anderem viele Kinderfotos, etwa beim New-York-Besuch auf dem Aussichtsturm des Empire State Building. Ein Buch für sehr große Kleiber-Verehrer. Schott-Verlag, Mainz 2008. 590 Seiten mit 36 Abbildungen und einem Vorwort von Richard von Weizsäcker, 29,95 Euro, ISBN 978-3-7957-0598-5.