Konzert in der Düsseldorfer Tonhalle: Als würde die Musik gerade erst entstehen
Die Academy of St. Martin in the Fields spielt mit dem Klavier-Jungstar Jonathan Biss.
<strong>Düsseldorf. Es besitzt natürliche Grenzen, das klassische Repertoire, und wird in traditionellen Konzerten immer wieder repetiert. Doch die Wahrnehmung des Vertrauten kann oft sehr neu sein. Dies gelingt aber nur durch Aufführungen, die von großer Lebendigkeit, Sensibilität und musikalischer Intelligenz geprägt sind. Seit den 50er Jahren steht die Academy of St. Martin in the Fields für ebensolche Darbietungen. Und auch beim Gastspiel in der Düsseldorfer Tonhalle vermag das britische Kammerorchester Musik so zu präsentieren, als würde sie gerade erst entstehen.
Mit dem jungen amerikanischen Pianisten Jonathan Biss steht in Ludwig van Beethovens Drittem Klavierkonzert c-Moll ein Solist zur Verfügung, der ebenfalls eingetretene Pfade meidet und dem Besucher das Hören von Bekanntem zum singulären Erlebnis werden lässt.
Der 27-jährige Jonathan Biss, jüngster Spross einer großen Musiker-Familie, benötigt für seine sehr persönlichen Interpretationen keinen Show-Gestus wie etwa der Star-Chinese Lang Lang. Ihm gelingt, was sonst nur die ganz großen Beethoven-Spieler wie Kempff, Richter und Gilels vermochten: in einem vollkommen natürlichen Musikfluss das Höchstmaß individueller Empfindung aufscheinen zu lassen.
Biss verfügt über einen zugleich weichen und plastischen Anschlag. Er artikuliert ungemein präzise, jedes Ornament wird dabei zum blinkenden Juwel. Im Largo findet der Pianist zu innerer Ruhe und großer Kontemplation. Bereits die sehr leise aber gehaltvoll angeschlagenen Anfangsakkorde zeugen von der absoluten technischen wie geistig-musikalischen Beherrschung des Satzes.
Der Dirigent Gerard Schwarz ist für den Orchestergründer Sir Neville Marriner, der aus familiären Gründen die Tournee absagen musste, eingesprungen. Auch Schwarz hätte einen Grund gehabt zu passen, denn aufgrund einer Verletzung bewegt er sich mit Hilfe zweier Krücken aufs Podium. Bestens disponiert sind aber seine Hände und Arme, mit denen er eine olympiareife Leistung an punktgenauen und detaillierten Einsätzen abliefert.
Vor allem in der Achten Symphonie Antonin Dvoráks gelingt ihm ein Wunder an Klarheit und Präzision. Die Academy verzaubert dabei noch immer durch die Einheit von seidigem Klang, Agilität und Esprit. Exquisiter lässt sich Dvorák nicht genießen. Jubel im ausverkauften Saal.